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21. April 2008 1 21 /04 /April /2008 21:36
Im Sommer 2007 las ich im Urlaub das Werk von Bettina Röhl:"So macht Kommunismus Spaß!"

Das inkl. Anhang pp 677 Seiten starke Buch trägt den vielversprechenden Untertitel

 "Ulrike Meinhof, Klaus Rainer Röhl und die Akte Konkret".

Wer ist nun Bettina Röhl? Bettina Röhl ist eine der Zwillingstöchter von Ulrike Meinhof und Klaus Rainer Röhl.
Sie schildert zum einen die Geschichte ihrer Eltern, zunächst für beide einzeln, später die gemeinsame Geschichte, dann die getrennten Wege ab 1968.

Sie schildert die Geschichte der Linken im Nachkriegsdeutschland, die der Zeitschrift "Konkret" - die, wie die Ostermärsche gegen die Aufrüstung in den 50er und 60er Jahren, erwiesenermaßen von der DDR unterstützt und finanziert wurde. Und sie schildert ihre eigene Geschichte - und dass sie aus ihrer eigenen Familiengeschichte eine tiefe Abneigung gegen das Phänomen "68" herleitet.

Die ersten 2/3 des Buches sind hervorragend geschrieben. Das Werk glänzt in dem Teil durch präzise Recherchen in Unterlagen, durch Interviews mit Zeitzeugen und nicht zuletzt durch die eigenen Erinnerungen der Autorin. Die Geschichte von Konkret ist packend, sie wirft ein fragwürdiges Bild auf das Oppositionsblatt von links - die DDR hatte in der tat die Arbeit unterstützt. Die Geschichte von Ulrike Meinhof und Klaus-Rainer Röhl lässt von Beginn an erahnen, dass dies eine eher schwierige Beziehung werden würde. Lebendig ist die Schilderung, wie Rudi Dutschke auf die Zwillinge im Kindesalter wirkte - sie mochten ihn.

Dann, im letzten Drittel - etwa ab "Die Morgendämmerung von 68" erfährt das Buch leider einen Bruch. Die Autorin verlässt mehr und mehr die präzise Recherche, die treffende und um Objektivität bemühte Darstellung - und driftet ab in eine Melange persönlicher - posthumer! - Abrechnung mit ihrer Mutter Ulrike Meinhof, indem sie alles, was sie nach dem Verlassen der Familie just am Neujahrstag 1968 geschrieben/geschaffen hat, in Grund und Boden niederschreibt. Ein Highlight mag in dem Teil noch die - nachvollziehbare und zutreffende - Interpretation des Textes über den Kindermörder Bartsch sein, das war es aber auch.

Sie fährt dann mit einer keineswegs mehr um Objektivität bemühten Hasstrirade gegen die Aktivisten und Protagonisten von "68" und ihre Erben im Geiste fort - das erinnert schon sehr stark an das "68er-Bashing" des Jünglings Floian Illies in "Generation Golf". Sie wird oberflächlich - und widersprüchlich. Hatte sie gerade erst geschildert, dass sie Rudi Dutschke als Kind mochte, so werden seine Reden, sein Wirken nun gnadenlos zerfetzt. Warum verlässt sie an der Stelle den Pfad erstklassiger Recherchearbeit? Möglicherweise hätte dies den Rahmen gesprengt?

Nun - betreibt Bettina Röhl eine Art Jugendaufbereitung und stürzt sich deshalb auf die "68er", weil ihre Mutter Ulrike Meinhof sich dort vor ihrem Kampf im Untergrund dort hingezogen fühlte? Man könnte dies meinen. Bettina Röhl war schon vor 20 Jahren, also 1988 eine der ersten, die sich in der damals gerade frisch auf dem Markt erscheinenden Zeitgesitpostille "Tempo" - zusammen uA mit Maxim Biller -  vernichtend  über "68" äußerte.

Es geht nicht darum, Kritik an den alten Revoluzzern zu unterbinden. Es geht vielmehr darum, wie wir darüber reden wollen. Ob wir uns tatsächlich um Objektivität und historische Wahrheit bemühen wollen - oder ein Feindbild aufbauen. Letzteres haben wir schon zu genüge. Schade - Bettina Röhl könnte mehr dazu beitragen, als typisches "68er-Bashing".

Insgesamt ist das Buch aber lesenswert, gerade wegen der ersten 2/3. Als 68er-Fan - wie ich - muss man danach ein wenig die Zähne zusammenbeißen. Die 68er-Hasser werden sich darin sicher wieder finden.

M.Kupfer
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  • Ich bin als Rechtsanwalt tätig, habe Familie und stehe mitten im Leben, wie man so sagt. das bringt manch Chaos mit sich... aber zum Glück auch Zeit für diese Themen: Gesellschaft, Politik, Independent- und Rock,Geschichte, Kultur, Sport, "grüne"
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