Als Anwalt bin ich Chaosmanager.
Klare Sache das. Mandanten kommen, erzählen ihre Geschichte, halten Dinge für unwichtig, die ich für wichtig erachte, andersherum werden Dinge für wichtig gehalten, obwohl sie oft bedeutungslos sind. Den Stoff muss man dann sortieren, Unterlagen sichten, eine Akte daraus bilden und sehen, dass man da in der erforderlichen Zeit eine juristische Lösung erarbeitet, ein oder mehrere Vorgehen vorschlagen und entsprechend voran treiben.
So, dann gibt es Standardfälle - Forderungen eintreiben, Mietrechtsstreitigkeiten klären, Arbeitsverhältnisse begründen oder beenden, Verträge prüfen....
Und es gibt Fälle wie diesen (kurze Fassung!)
Ein Mandant nutzt eine Prachtvilla zum Wohnen und Arbeiten. Er möchte einen Bewohner möglichst schnell aus der Villa klagen. Dieser Mann zahle keine Miete, außerdem sei er aggressiv. Überdies benötige er dessen Wohnung selbst.
So weit so gut.
Es stellt sich Folgendes heraus:
Mein Mandant hatte Wohnung und Gewerberäume vor ca. 1,5 Jahren von seinem ungeliebten Bewohner gemietet. Dieser befand sich gerade, als mein Mandant dort aufschlug, um nach einer Wohnung zu fragen, auf dem Grundstück - und hatte eigentlich kein Recht, dieses Haus zu nutzen, geschweige denn, Mietverträge zu schließen. Er hielt sich dort aufgrund eines sehr wackeligen Besitz"rechts" auf, das keines mehr war: Er wollte nämlich ein Jahr zuvor dieses Grundstück kaufen, war aber nicht im Grundbuch eingetragen. Er durfte sich dort zwar schon einrichten, dies aber unter der Maßgabe, dass er innerhalb einer bestimmten Fristen seinen Pflichten aus dem notariellen Grundstückskaufvertrag nachkam - nämlich die Zahlung des Kaufpreises. Natürlich hatte keinen müden Euro an den eigentlichen Eigentümer abgeführt. Der Eigentümer plante bereits, den Vertrag rückgängig zu machen.
Der Eigentümer selbst ist hoch verschuldet. Der Kaufpreis war deshalb nicht an ihn, sondern seine Gläubiger zu zahlen. Darauf komme ich aber noch zurück.
So, zurück zu meinem Mandanten.
Dieser überlegte sich während seiner ersten Monate, dass er ja im Untergeschoss ein prima Cafe betreiben könne - da gab es nämlich mal in grauer Vorzeit eines. Was er nicht wusste, war, dass sich dort vor Jahren - das Haus hatte bis 2006 mehrere Jahre leer gestanden - in lockerer Abfolge ein Ärztehaus, ein Restaurant, ein Bordell und ich weiß nicht was drin befunden hatte. Alle Vorbetreiber hatten aus irgendwelchen Gründen nach relativ kurzer Zeit jeweils den Büttel hingeschmissen und geschlossen.
Er mietete also von seinem nun ungeliebten Bewohner auch das Untergeschoss und blätterte erst einmal eine mittlere vierstellige Summe als "Kaution" hin.
Eines Tages kam ein Mann auf das Grundstück und fragte, wer er sei und was er hier tue. Es war der eiegntliche Eigentümer, der entsetzt feststellte, dass der Bewohner und Möchtegern-Käufer nun ohne seine Erlaubnis lustig irgendwelche Mietverträge abgeschlossen hatte. Zum Glück war der Eigentümer meinem Mandanten gegenüber wohlgesonnen. Die beiden schlossen einen Mietvertrag über das ganze (!) Haus ab. Gleichzeitig verbot der Eigentümer irgendwelche Mietzahlungen an den Bewohner und "Möchtegern-Käufer" .... der Form halber kündigte mein Mandant alle mit diesem Bewohner abgechlossene Mietverträge, der auch kurze Zeit später den Rücktritt von dem Kaufvertrag sowie die Räumungsaufforderung im Briefkasten hatte.
Das war alles Ende 2007.
Der Status: Mein Mandant war Mieter des Eigentümers, er hatte eigentümerähnliche Befugnisse und Pflichten, die auch zur entsprechenden Mietreduzierung führten. Mein Mandant musste die Mieten an den Gläubiger des Eigentümers überweisen, zu dessen Gunsten eine dicke Sicherheitshypothek im Grundbuch eingetragen ist.
Und der Bewohner und Möchtegern-Käufer wohnt immer noch dort, nutzt 120 qm Wohnfläche, ohne Miete und anderes zu zahlen. Auch die Stadtwerke - Fernwärme und Wasser - erhalten kein Geld.
Im Frühjahr 2008 freut sich mein Mandant, dass sein Cafe gut läuft. Den nichtzahlenden Mieter duldet er mit Ärger, um den kümmert sich - leider erfolglos - der Eigentümer. Der kriegt ihn auf Deufel komm raus nicht aus der Wohnung, obwohl anwaltlich vertreten und beraten. Dieser schwarze Peter wird dann im Lauf des Jahres meinem Mandanten zugeschoben.
Nun kommt noch das Ordnungs- und das Bauamt ins Spiel (!).
Die Behörde ist nämlich mit dem Cafe-Betrieb meines Mandanten nicht einverstanden. Sie schließt den Betrieb, bis die "Nutzungsänderung" ordentlich angezeigt ist. Die Behörde stellt fest, dass einige notwendige Auflagen nicht erfüllt sind (Brandschutz, Rettungswege....).
Mein Mandant nimmt Rat und Unterstützung eines Dipl.-Ing. in Anspruch. Der aber verfängt sich in den Tücken des deutschen Baurechts. Aus dem Cafebetrieb wird plötzlich aus behördliche Sicht - Achtung, Eigendynamik - eine "Begegnungsstätte der Kulturen", was die Behörde mit erheblichen Auflagen belegt - leider sind hier alle auf dem falschen Weg, mein Mandant will doch nur ein Cafe betreiben.....
Seit April 2008 ist der Laden dicht - mein Mandant verdient keinen müden Euro und verbraucht seine Ersparnisse, um die geforderten Auflagen für die eigentlich nicht gewollte "Begegnungstätte der Kulturen" zu erfüllen.
Er benötigt nun die Wohnung des Bewohners.
Bei einer Begegnung zwischen den beiden - bei der mein Mandant die Beendigung dieses Nicht-Mietverhältnisses, naja, des illegalen Besetzungszustandes klären will, greift dieser Mensch zur Axt und verfolgt meinen Mandanten mt der Brüllerei "Ich werde dich umbringen!!" über den Hof.
Wir kündigen der Form halber - obwohl eigentlich nicht notwendig, denn wohnen darf er da schon lange nicht mehr. Meinem Mandanten bricht der Boden unter den Füßen immer mehr weg, weil die Behörde immer mehr verlangt - obwohl auf dem falschen Dampfer... Mein Mandant hat bislang aber leider deshalb über 100.000 Euro verbraten. Die Räumungsklage ist notwendig, aber derzeit kämpft mein Mandant an anderer Front, nämlich mit der Behörde.
Auf meinen Hinweis hin ändert dieser unerfahrene Dipl. Ing. den Antrag bei der Behörde, und siehe da, manches wird einfacher. Jetzt muss er vor allem diesen Bewohner zur Räumung veranlassen.
Dann die nächste Hiobsbotschaft: Das Haus soll im neuen Jahr zwangsversteigert werden. So geschieht es auch. Die Ersteher - die aber noch keinen offiziellen Zuschlag erhalten haben - treten protzig auf und erklären, dass sie ihn schnell heraus kündigen werden, wenn sie hier das Sagen haben. Der Eigentümer kann aber den Zuschlagsbeschluss noch einige Tage (!) heraus zögern.
Mein Mandant findet glücklicherweise in einer Nacht-und Nebelaktion jemanden, der das Haus erstehen würde - dann kann er noch weiter dort residieren (10-Jahresvertrag).
Mittlerweile wird er von dem Bewohner verklagt, der nicht peilt, dass er kein Vermieter ist, sondern ein Nassauer, der dort auf Kosten meines Mandanten lebt - und zwar auf Miete und Nebenkosten seit Herbst 2007. Mein mandant hatte ihn selbst schon einmal zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung seit Herbst 2007 aufgefordert - natürlich erfolglos.
Achja, Nebenkosten: Habe ich nicht erläutert, dass der Bewohner keinerlei Zahlungen an die Stadtwerke leistet? Leider hat er sich aufgrund er Fehleinschätzung der kompletten Situation als Herr des gesamten Hauses bei den Stadtwerken gemeldet. Dabei ist er nur ein Dauerbesetzer ohne rechtlich geschützten Status. Gleichwohl - die Stadtwerke drehen aufgrund der hohen Schulden - über 10.000,--€ - Wasser und Fernwärme ab....
Ja, und er ganze Rummel liegt jetzt auf meinem Schreibtisch, ich bin in drei Klageverfahren involviert und werde gaaaaaanz langsam an das alles heran gehen, Langam aber treffsicher, ganz bestimmt. So als Chaosmanager... Bin guter Dinge. Mal sehen, was ich davon noch erzähle....
LG M. Kupfer