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10. September 2008 3 10 /09 /September /2008 09:08

Als Anwalt erhalte ich manchmal die Gelegenheit, ein Seminar durchzuführen bzw. einen Vortrag zu Fachthemen zu halten.

Am liebsten sind mir Veranstaltungen von bis zu 3 Zeitstunden. Dann bereite ich etwas zu meinem Fachgebiet vor - Arbeitsrecht - und zeige eine Powerpoint-Präsentation, zu der dann Fragen gestellt werden und sich eine mitunter lebhafte Diskussion entwickelt.

Tagesseminare mache ich in der Regel nicht, dennoch habe ich schon bei einem Unternehmen, das als Einkaufsgesellschaft für eine Mittelstandsbranche fungiert drei Tagesseminare gehalten.


Da gehe ich genau so vor, wie bei meinen kleinen Gesprächsrunden - eine Powerpoint-begleitete Diskussion mit Schulungsmaterial.

Das ging zwei mal ganz gut, beim dritten Mal letzte Woche ergab sich eine alptraumhafte Situation, die selbst die geübtesten Trainer aus den Socken hauen dürfte.


Ich bin kein ausgebildeter Trainer. Ich mache das eben nebenher, als "Abfallprodukt" meiner Tätigkeit. Passt halt, irgendwie...


Im August 2007 war mein erstes Mal dort. Anstrengend, aber erfolgreich. Thema: "Arbeitsvertragsgestaltung"


Im Mai hielt ich in jenem Unternehmen mein zweites Seminar, allerdings war dies wiederum ein Debüt zu einem besonderen Thema, nämlich "Variable Vergütungssysteme".


Preis pP: 190,--€ netto incl. drei Speisen in der Kantine. Ein Discountpreis verglichen mit anderen Anbietern am Markt, die locker das vier-bis fünffache nehmen.


Die Teilnehmer: 10 -12 Personalverantwortiche, GF und andere Entscheider aus ganz Deutschland aus den Branchenunternehmen.


Im Vorfeld der Veranstaltung habe ich dem Auftraggeber mitgeteilt, dass mir die Darstellung von Grundlagen und einigen Fällen möglich ist, keinesfalls aber Berechnungen, die man mit nach Hause nimmt, um diese dort gleich umzusetzen. Ich gehe das eben aus der organisatorischen, juristischen Pers
pektive an, nicht aus der kaufmännischen. Das habe ich im Vorfeld geklärt, war also dort bekannt. So dachte ich jedenfalls.



Die Veranstaltung lief mittelgut und war verbesserungsfähig - Debüt halt - aber offenbar gut genug, um mich noch einmal mit dem selben Inhalt zu einer weiteren Veranstaltung mit diesem Inhalt einzuladen.


Der Termin: Erste Septemberwoche.


Angesichts der Erfahrungen aus der Debütveranstaltung zur "Variablen Vergütung" habe ich einzelne Änderungen am Inhalt vorgenommen, die Gesamtstruktur habe ich aber nicht wesentlich geändert. Zum Beispiel hatte ich im Mai den Aspekt der Führung vertieft - meines Erachtens kann variable Vergütung keinen Selbstzweck verfolgen, sie dient der Motivation der Beschäftigten und sollte nur eingeführt werden, wenn eine enstprechende motivierende Führungskultur herrscht. Wer einen autoritären Führungsstil pflegt oder
zulässt, kann es gleich sein lassen. Den Komplex habe ich nahezu ersatzlos gestrichen.


Dafür habe ich einen neuen - erfolgreichen -Trend der Unternehmensorganisation präsentiert, bei dem Incentive-Systeme anders und womöglich intelligenter eingesetzt werden (Beyond Budgeting). Das Beyond Budgeting hatte ich auch schon im Mai zum Thema gemacht, wenn auch nicht so vertieft,


Im August ergab sich im Vorfeld zu der nun anstehenden Veranstaltung eine weit stärkere Nachfrage als noch im Mai. Die Teilnehmerzahl lag bei 14, groß genug jedenfalls. Der Auftraggeber ließ mich gewähren und schien mit der ersten Veranstaltung halbwegs zufrieden zu sein.


Ich ging davon aus, die Inhalte waren akzeptiert. Jedenfalls kamen aus der Orga-Abteilung Personalentwicklung keine Wünsche/Anregungen und auch sonst kein Feedback zum letzten Mal...

 

Dabei befanden sich keine Charts, berechnungen oder Sonstiges in der Präsentation. Vielleicht hätten das die Kaufleute lieber gesehen, aber dann hätte mein Auftraggeber entsprechend darauf hinweisen müssen, der kennt das Klientel besser als ich.


Einen Tag zuvor rief Herr S. an, der Leiter der Pers-entwicklung. Mit dem hatte ich bislang nichts zu tun. Das Gespräch verlief sehr freundlich, er betonte, dass dort nun ganz "anspruchsvolle" Teilnehmer erscheinen würden und dass das doch zum Premium-Seminar werden könnte. Wir tauschten Einzelheiten zum Inhalt aus und es schien, als könnte die Veranstaltung erfolgreich  werden. Man konnte meinen, wir lagen auf einer Wellenlänge, wobei ich davon ausging, dass er mein Vorgehen vom letzten Mal kannte.

Wie gesagt: Auch damals befanden sich keinerlei Charts oder dergleichen in den Unterlagen.  Bei mir drehte es sich um Grundsatzfragen.


Die  überarbeitete Fassung schickte ich ihm nachmittags. Sie unterschied sich nur partiell von der anderen Fassung, das hatte ich bereits angekündigt. Die Struktur, der Aufbau blieb...


Die Veranstaltung wurde allerdings ein grauenhafter GAU und könnte ein großes Sonderkapitel in einem Lehrbuch für Trainer unter dem Titel "Unlösbare Krisen" einnehmen.... :-(


Herr S. nahm mich an dem Morgen in Empfang, er hatte zuvor angekündigt, dabei sein zu wollen.


Das war ja soweit o.k.


Die Teilnehmer erschienen einer nach dem anderen und man traf sich erst einmal in der Kantine zum "Kennenlern-Kaffeetrinken".


Dann begann das Seminar. Nach Vorstellungsrunde und Einstieg mittels Fragen an die Erwartungen an ein variables Vergütungssystem begann ich mit meiner - zugegeben dicken und "bleihaltigen" - PPt-Präsentation.


Aber das schien ja, wie beim letzten Mal, abgesegnet zu sein.

Es schien auch kein Problem zu sein, als "Fachfremder" (RA mit BWL-Grundkenntnissen, kein Personaler und schon gar kein hauptberuflicher Trainer) dort ein Thema mit Blick über den Tellerrand vorzustellen.... Fragen zu meinen Referenzen, Erfahrungen als Trainer in dem Bereich hatte niemand gestellt. Es gab keinerlei Check zuvor!


Natürlich kann man sich darüber streiten, ob eine Powerpoint-Folienschlacht für ein Tagesseminar toll ist.


Nein, ist es sicher nicht. Aber es geht. Mittelmaß, akzeptabel, aber nicht grundfalsch...


Ich erzählte - nach einem Unternehmensberaterwitz zu Beginn - etwas zum Ablauf der Veranstaltung, zu Begrifflichkeiten, Wirtschaftsdaten und Anderem, unterschied zwischen leistungs- und erfolgsbezogener Vergütung, erläuterte Möglichkeiten für Führungskräfte...

 

Zwischenzeitlich verließ Herr S., der mich durch die Veranstaltung begleiten wollte, den Raum und ich war allein mit den Teilnehmern.


Ich stellte Fragen in die Runde, die kaum zu Diskussionen führten. Es lief nicht wirklich gut. Warum nach Leistung prämieren? Was bedeutet im Einzelhandel denn Leistung? Umsatz? Warum? Quäl....


Beim ersten Mal im Mai hatte ich nicht so eine schweigende Phalanx vor mir sitzen.


Irgendwann begann eine gewisse Unruhe. Einzelne fragten nach praktischen Beispielen. Ich verwies höflich darauf, dass diese auf jeden Fall noch folgen würde, aber eben nachmittags. (Ganz zu Beginn hatte ich ja wie gesagt  den Ablauf vorgestellt, es war also allen klar, dass Fallbeispiele und die Klärung rechtlicher Fragen noch folgen werden).

Ich machte also weiter im Programm - nach meiner Erfahrung sind nach so einer Äußerung die Gemüter beruhigt.


Die Gemüter beruhigten sich aber nicht, zumal ein selbsternannter "Revolutionsführer" die Stimme erhob und in den Raum sprach "Ich bin sicher nicht der einzige hier, so haben wir uns das nicht vorgestellt, alles viel zu theoretisch...!". Bitte schön, wie geht man denn mit so etwas um? Die Stimmung kippte allmählich und sehr bedrohlich...


Ich bat ein weiteres Mal um Geduld, war aber schon etwas angefressen, zugegeben. Wie man hier sagt: Fast sprang mir der Draht aus der Mütze...


Ich hatte auch ehrlich gesagt wenig Lust, mein Programm für die paar Leute mal eben umzustellen, das hieße ja, dass ich Themen auf Zuruf mache. Geht irgendwie gar nicht. Diskussionen und Fragen - kein Problem. Exkurse, kein Problem. Aber den Weg im Wesentlichen bestimme ich, sonst werde ich zum Kasper gemacht. Oder zum Zirkuspferd, das Kunststücke auf Peitschenknall vorführt.


Irgendwann stand ein Herr auf, Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens, und verließ die Veranstaltung mit den Worten "Das reicht mir jetzt". Der hatte quasi nach fast jeder Folie genervt gefragt, wann es denn mit der Praxis beginnt.


Das wirkte nicht gerade deeskalierend, ganz im Gegenteil.


Hat er als Kind beim Märchenvorlesen auch nicht abwarten können, bis Hänsel und Gretel die Hexe in den Ofen stoßen??


Dabei war nicht einmal eine Stunde vergangen! Es war schon jetzt grauenvoll. Im Mai war das nicht so gelaufen. Und den Teil des Seminars hatte ich seinerzeit unbeanstandet abgeleistet.


In dem Moment erschien Herr S. wieder im Raum. Eigentlich sollte ich mich über die erhoffte "Rettung" freuen. Was aber tat Herr S. - nachdem manche ihren Unmut äußerten, über die vielen Theorien? Er stellte sich nicht etwa hinter mich und versuchte, zu vermitteln.

Er setzte sich auf seinen alten Platz, sah mich vorwurfsvoll an und fragte:

"Warum tun Sie das denn nicht...?!"

Zack! Treffer. Mit der Äußerung zog er mir den Boden unter den Füßen weg.

Danach war eigentlich alles vorbei. Meine Rolle war nicht mehr die eines Fachmanns, der den Leuten etwas beibringt, sie war die eines Prüflings, der sich durch die Veranstaltung hetzen ließ.


Die größten Krakeeler und Unzufriedenen konnten sich durch Herrn S. bestätigt fühlen. Meine Autorität kraft Fachwissens war dahin, das Seminar war mit einem mal fremdgesteuert, zumal Herr S. versuchte, an meinen Themen vorbei Fragen zu stellen und eine Diskussion in Gang zu bringen. Das hat vielleicht die von ihm gewünschte Diskussion angeschoben, aber leider an meinem "Plot" vorbei...

In der Mittagspause, als alle TN den Raum verlassen hatte, äußerte Herr S. mir gegenüber seine tiefste Enttäuschung, ich könne doch keine Vorlesung halten, was das denn sollte, die Präsentation enthalte zuviel Text, nicht mal ein paar Charts, das sei ganz furchtbar, so gehe das nicht, wenn die sich jetzt beim Vorstand beschweren.Lassen Sie nachher bloß die Folien weg (was mir angesichts der Fülle und Komplexität nicht möglich war)...!! Lassen Sie uns jetzt was essen gehen...


Ich ließ diese Tirade über mich ergehen und musste erst einmal sortieren, was jetzt zu tun war...


Hatte ich schon erwähnt, dass wir im Vorfeld nie über Inhalte, Gestaltung und Erwartungen bei so einem Thema gesprochen hatten? Was bitte wurde von mir erwartet??


Der Rest des Tages war erledigt. Ich war demotiviert und geschwächt. Klare Gedanken bekam ich nicht mehr hin, es ging ums nackte Überleben. Was bitte sollte jetzt noch an Wissen vermittelt werden, wie sollte noch Interesse geweckt werden, wenn allen klar war, dass der Auftraggeber nicht hinter mir stand. Er ließ es mich auch spüren - die anderen auch - dass er nichts davon hielt, was ich da tat.


Was hätte Herr S. tun müssen?


Er hätte zwischen mir und den TN vermitteln müssen. Er hätte sich, wie sich das gehört, wie folgt äußern müssen:

"Ich kann ja verstehen, dass manche von Ihnen nur Theorie nicht mögen. Da müssen wir jetzt aber erst einmal durch. Ich kenne den Vortrag, wir hatten das so besprochen, wir bekommen am Ende noch sehr interessante Fälle präsentiert. Außerdem wird Herr M. einen ganz neuen spannenden Trend beschreiben, lassen Sie ihn mal machen....".

Statt dessen aber erfolgte ein Dolchstoß in den Rücken, ein klares Distanzieren von meiner Leistung. Das ist, als würde der Rektor einer Schule einen Lehrer vor der versammelten Klasse zurecht weisen. Als würde der Abteilungsleiter den Teamleiter vor dem Team maßregeln.

Unlösbar. Katastrophal. Eigentlich hätte ich einpacken können....

Wie man sich da fühlen muss, kann sich der eine oder die andere sicher vorstellen. Alles, was ich noch brachte, konnte nur falsch sein. Lerneffekt gleich Null....


Der Knaller am Ende: Normalerweise lässt man die Teilnehmer am Ende Feedback-Bögen ausfüllen. Darauf verzichtete Herr S. süffisant lächelnd.... "Nee, das muss ich nicht haben..."

Self fulfilling prophecy: Erst ruiniert er mein Seminar durch Infragestellen und Distanzieren, dann lässt er keine Feedback-Zettel ausfüllen, weil er schlechte Kritiken fürchtet.

Auf meine Frage nach einem Feedback einige Tage später reagiert er ausgesprochen aggressiv: Tiefpunkt seit 30 Jahren... Blablabla... Kritik des Vorstands ...blablabla.

Außerdem setzt dieser Herr S. diese Denke fort und verzichtet darauf, den Kursbeitrag der TN abzufordern. Poplige 190,--€ p.P.netto ! Damit bestätigt er noch einmal sein klares Distanzieren von der Veranstaltung und lässt mich im Regen stehen...

Ein Einfallstor für all die, die meinen, jetzt noch Schadensersatz (Hotelkosten, Reisekosten, Verdienstausfall pp) fordern zu können....

Mein Tipp an Herr S.: Die eigenen Fehler eingestehen - keine inhaltliche Abstimmung, verhalten bei der Veranstaltung -  die Sache als "kann-mal-passieren" verbuchen und das Seminar ohne Staatsaffäre mit den Teilnehmern abrechnen. Wer sich weigert, bekommt Mahnungen...

Und dann zur Tagesordnung übergehen...

Das wollte ich nur einmal loswerden.


M.Kupfer

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14. August 2008 4 14 /08 /August /2008 21:04
Wie ich schon in einem früheren Artikel zum Thema Hippies schrieb: Ich war ein kleiner Hosenscheißer, als Flower-Power und Hippies die Rockkultur prägten.

Aber später dann, ausgerechnet in den yuppiemäßigen, gelgestylten 80ern, also meiner Jugendzeit fand ich Gefallen an dem Sound. Mit meinen langen Haaren und der (nach-)lässig wirkenden Jeans-Sandalen-Ausstattung fiel ich modetechnisch ein wenig aus dem Rahmen, aber das war mir doch wurscht. Ich sah ein wenig aus wie Jim Morrison von den Doors. Das fand ich o.k.. Ich besaß leider nicht so eine  coole Lederhose wie die, mit der Jim Morrison auf den Live-Aufnahmen zu sehen ist... :-(

Ich hörte, was mir gefiel, und das war eben damals +/-20 Jahre alt (wie ich). Oder Metal bzw Elektronisches, wie ich bereits schrieb...

Meine Favoriten waren damals ganz bestimmt:

Die Doors


Die Doors waren einfach kultig
- und sie sind es nach wie vor.
Jim Morrison war purer Sex, viel mehr noch als Mick Jagger. Eher so wie Jimi Hendrix. Der zeitlose, zornige junge Mann mit einer unglaublichen Ausstrahlung.... dem seine Drogenabhängigkeit und sein intensives Leben zum Verhängnis wurde. Am 03. Juli 1971 starb Morrison in Paris.

Die Doors wurden 1965 gegründet von Jim Morrison und
Ray Manzarek in Venice Beach, Kalifornien. Der Name der Band stammt von einem Roman von Aldous Huxley -"The Doors of Perception" - Die Pforten der Wahrnehmung.

Jetzt lasse ich ein bisschen Musik und Bilder wirken....

Alles begann für mich mit "Light My Fire":


Das Stück hörte ich irgendwann Ende 1983 im Radio, ich war schlichtweg fasziniert. Später erwarb ich die seinerzeit veröffentlichte Live-LP "Alive She Cried".

Desgleichen war gigantisch: The End - ein Stück, das später zum Soundtrck von "Apocalypse Now" (Einschieb: warum denke ich jetzt ausgerechnet an Helge Schneider???) werden sollte:


"Break on Through" gehört ebenso zu meinen Favoriten:


Und "BackDoor Man":


Stilbildend für Underground und Indie heute:
People are strange
:


Der Roadhouse-Blues: Jim Morrison wirkt ein wenig fertig...

Der ruhige Sound, klassisch: Riders on the Storm
"in to this house we're born, into this world we're thrown..."


Und "When The Music's over" findet sich auf einem großartigen Live-Album:



Skandale um Jim Morrison gab es reichlich:


Zu guter Letzt der Trailer zum Oliver-Stone-Film "The Doors" aus dem jahr 1991 (mit einem sehr authentisch spielenden Val Kilmer als Jim Morrison):


Musik und Habitus der Doors sind nach wie vor zeitlos genial...
Die Doors waren sicher eine der Bands aus den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, die für die Rockgeschichte prägend, ja herausragend waren.

Einerseits Hippie-Musik, andererseits auch im 21. Jahrhundert sehr gut hörbar und unvergessen. Die Nr.1 auf meiner Liste, wenn ich an meine ganz persönlichen 60er denke...

M.Kupfer

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7. August 2008 4 07 /08 /August /2008 21:36
Wahrscheinlich ist es so, wenn man Familie hat - irgendwann landet man jährlich in ein und demselben Ferienort, ja in der selben Ferienwohnung, dies nahezu zum selben Zeitpunkt.

So ist es bei uns seit 2006.

Seitdem fahren wir in die Ferien nach Kühlungsborn.

Es begann im Jahr 2006 damit, dass wir auf der Suche nach einem Kurort für unsere Tochter, damals 2 Jahre alt, waren.

Unsere Kleine hatte eineinhalb Jahre zuvor, mit 11 Monaten eine heftige Lungenentzündung erlitten, nun kamen  wir mit dem Hausarzt zu dem Schluss, dass wir eine Klimakur an der See durchführen sollten. Drei Wochen. In Deutschland.

Ich dachte zunächst nur: O Backe, warum nicht Dänemark, oder irgend etwas am Mittelmeer. Mit Grauen stellte ich mir vor, wie wir geschlagene drei Wochen ein beharrliches Tiefdruckgebiet an der deutschen Ostsee oder Nordsee ausstehen müssen... Viel Wind, Wolken und Regen.

Wie 2004 auf Spiekeroog, wie 2005 bei Nymindegab in Dänemark.

Wir entschieden uns nach viel Hin und Her für Kühlungsborn

Es handelt sich um ein Seebad, der Kuraufenthalt wird also von der KV grundsätzlich bezuschusst.

Kühlungsborn - Komischer Name, aber gehört hatte ich davon zuvor schon einmal. Kühlungsborn liegt an der mecklenburgischen Ostseeküste zwischen Wismar und Rostock und besteht eigentlich aus drei Orten - eigentlich Dörfer -, nämlich Brunshaupten (Ost), Arendsee (West) und Fulgen. 1938 wurden die Orte zusammen gefasst und Kühlungsborn genannt.

Jetzt kann man sich vortrefflich darüber streiten, warum man den in der Nazizeit geschaffenen künstlich wirkenden Namen behalten hat. Sei's drum. Zumindest der Wortbestandteil "Kühlung" hat Bezug zum Ort: Die Kühlung ist ein üppiges Waldstück zwischen den Ortsteilen (hier findet sich seit diesem Jahr auch ein besuchenswerter Kletterwald, mitten an der Ostseeallee, eine verkehrsberuhigte Straße mit alten Bädervillen, die die beiden Teile Ost und West verbindet ).


Größere besuchenswerte Städte in der Nähe sind wie gesagt Rostock und Wismar, jeweils ca. 20 km von Kühlungsborn entfernt. Etwa 10 km östlich von Kühlungsborn liegt Heiligendamm, der Ort, in dem 2007 der G8-Gipfel stattfand, im Westen in etwa vergleichbarer Entfernung Rerik an Ostsee und Salzhaff.

Beide Ziele lassen sich gut mit dem Fahrrad erreichen.

Die berühmte Bäderbahn Molli verkehrt von Kühlungsborn aus mit einer alten Dampflok nach Bad Doberan über Heiligendamm.








Unser erster Urlaub dort:


Ende Juni 2006 ging es für drei Wochen mit einem vollgepackten Auto los.

Wenn ich den Sommer 2006 in Erinnerung rufe, denke ich an viel Sonnenschein und die WM in Deutschland - das Fußballsommermärchen.

Nachmittags nach der Ankunft lief das Achtelfinale Deutschland : Schweden. Weiß ich noch wie heute, weil wir deshalb unseren ersten Strandausflug abgekürzt haben.

Unser Sohn, damals 5 Jahre alt, war bereits fußballverrückt gen
ug und wegen der WM angespitzt. So wie ich :-).

Das Bild links oben zeigt den Strandabschnitt in Kühlungsborn-West, hier in der Ecke unterhalb vom "
Schloss am Meer"  haben wir unsere Strandmuschel aufgeschlagen.

Der Urlaub bot in diesem Super-Sommer  durchgehend Sonnenschein, Temperaturen zwischen 23 und 30 Grad Celsius, viel Meer und Strand, die Orte Wismar und Rostock, dort den Zoo.

Und Fußballspiele mit unserem Sohn am Strand.

Die Ferienwohnung - in der wir drei Urlaube verbrachten - ist komfortabel eingerichtet, viel besser als dänische Ferienhäuschen für vierköpfige Familien.

Zum Strand brauchen wir von dort jeweils ca. 10 Minuten zu Fuß. Ein gewaltiger Pluspunkt!

Der Ort bietet viel Bäderarchitektur und eine sehr gut ausgebaute Strandpromenade von vier km, die die beiden Ortsteile Ost und West verbindet. Es gibt zwei Konzertgärten in Ost und West, in denen in der Saison zahlreiche kostenlose Veranstaltungen (Konzerte, Zaubererauftritte, Kinderdiscos etc) geboten werden. Da ist die Kurtaxe, die man bei Urlaubsantritt zu entrichten hat, sehr gut angelegt. Naja, der Ostseekasper kostet Eintritt.

Weil es uns, vor allem den Kindern,  2006 so dermaßen gut gefallen hatte - das Wetter im Super-Sommer 2006 und die WM waren sicher maßgebend - beschlossen wir, 2007 erneut nach Kühlungsborn zu fahren.



Der Sommer 2007 war leider kühl, windig und verregnet. Die strand- und badetauglichen Tage ließen sich an drei Fingern abzählen. Regenjacke und Fleece-Pullover prägten die Urlaubsbilder.

Aber manchmal schien eben doch die Sonne, vielleicht nicht den lieben langen Tag, aber doch so manche Stunde, in der unsere Tochter zum Beispiel die 4-km-lange Promenade vom Baltic-Platz bis zum Piratenspielplatz im Ortsteil Ost mit dem Laufrädchen zurücklegte. Und unser Sohn mit dem Ball über den Strand fegte oder ebenfalls mit seinem Rad unterwegs war...

Bei den Touren unserer Tochter konnten gut und gerne mal 10 km Wegstrecke mit dem Laufrad an einem Nachmittag zusammen kommen (Hin und zurück plus Weg bis zur Wohnung). Ein Weg, der auf der einen Seite uneingeschränkt Einblick auf den Strand und die Ostsee bot, auf der anderen Seite einen Grüngürtel, diverse Restaurationen und vor allem WC's!

Auf dem Weg gibt es bei Strandzugang 14 einen kleinen, aber feinen Strandspielplatz, den unsere beide Kinder ganz gerne nutzten.

Auf diesem Strandspielplatz fanden zweimal in der Woche Veranstaltungen der "Märchenhexe Küboschka" statt, bei wechselhaftem Wetter eine sehr willkommene Abwechslung.

Ansonsten stand auch 2007 wieder der Rostocker Zoo als Ausflugsziel auf dem Plan, außerdem das Spaßbad "Wonnemar" in Wismar sowie zwei Trips nach Rostock-Warnemünde und eine Radtour zum Bastorfer Leuchtturm.

Das mäßige Wetter trieb uns häufig in das "Fischhus". Ein kleines Lokal mit einem sehr guten Angebot an Fischgerichten, aber auf Dauer ist Essen gehen mit vier Leuten ja auch nicht günstig, auch wenn man sagen muss, dass man dort großartige Angebote finden kann, das Preis-Leistungsverhältnis ist in Ordnung.


2008 ging es auf Wunsch der Kinder ein drittes Mal nach Kühlungsborn. Wieder drei Wochen, diesmal  im Juli.

Die EM lag bereits hinter uns. Das Wetter bot mehrere Hochdruckgebiete, viel Sonne und fast jeden Tag strandtaugliches Wetter. Nicht so wie im Sommer 2006, aber ganz ordentlich. Auf den Bildern sieht man uns sehr häufig am Strand mit Badehose und T-Shirt, sehr selten mit Regenjacke und Pullover.

Der Baltic-Platz hatte sich 2008 verändert und heraus geputzt.

Nicht nur eine Anlage mit Bungee-Trampolinen - wie in den Jahren zuvor -prägte den Platz (s.o., erstes Photo) darüber hinaus auch ein Riesenrad vom Feinsten, Karussels, Buden und anderes.

Vor der alten (Bj. 1972) seit ca. 2002 Jahren verrottenden aus DDR-Zeiten stammenden "Meerwasserschwimmhalle" - neben der leider auch verfallenden "Villa Baltic" (s.o.) - fand sich im Stile von "Kramer, Zunft & Kurzweyl" eine "Pirateninsel" mit piratenmäßiger Gastronomie in Holzbuden und Zelten sowie Verkaufsständen von allerlei Kram...
Erstaunlich: man entdeckt doch jedesmal Neues. Die Kinder werden größer, die Aktivitäten ändern sich. Sohnemann, inzwischen sieben Jahre alt und begnadeter sowie guter Fußballer fand immer andere Kinder zum Kicken am Strand. Wir konnten daher mal mehrere Bücher im Urlaub beenden und ich musste nicht immer als Sparringpartner zum Fußballern herhalten...

Unsere Tochter, mittlerweile vier Jahre alt, fuhr gerne Fahrrad - dieselbe Strecke wie ein Jahr zuvor mit dem Laufrad. Überhaupt konnte man jetzt auch mal abends mit den Kindern in den Ort. Mittagsschläfchen entfielen.

Das Trampolin an Strandaufgang 15 - 10 Minuten hopsen für 2,--€ - haben wir ebenfalls mehrmals besucht...

In dem Bereich befindet sich auch der Animationsstrand mit Beachvolleyballplätzen, Fußballtoren sowie einer Pool-Insel im Meer, etwa 100 m vom Strand entfernt.

Das Super-Riesenrad bot übrigens donnerstags ab 21:00 eine Sonnunenuntergangsfahrt an, die bis zu 45 Minuten währen konnte, dies zum Preis von einer normalen Fahrt, nämlich für 15,--€ für eine vierköpfige Familie.... Wir schafften es trotz heftigen Andrangs noch, eine Kabine zu ergattern...

Die letzte Urlaubswoche war von einem stabilen Hochdruckgebiet geprägt, allerdings mit sehr starkem Ostwind. Das hatte einen für die Ostsee ungewöhnlich hohen Wellengang zur Folge.


Üblicherweise kommt der Wind aus westlicher Richtung, von dort gelangen auch die Tiefdruckgebiete über den Britischen Inseln (so sie sich noch nicht über Dänemark ausgeregnet haben) in die Region.

Insgesamt ist die Ostseeküste aber eher von gutem Wetter geprägt, mehr als die Nordseeküste. Der starke Ostwind hatte vor allem Ende Juli 2008 zurfolge, dass das Wasser an Land gedrückt wurde und die Hälfte des Strandes - ja, an der Ostsee sind die Strände schmaler als an der Nordseeküste - nicht mehr als Liegefläche nutzbar war...

 Wir verlebten also auch 2008 wieder einen erholsamen, tollen Familienurlaub! Man kann sich nun darüber streiten, ob nicht 2008 im Ort zuviel geboten wurde - Riesenrad, Pirateninsel, Karussels etc - aber erstens muss man die Angebote nicht wahrnehmen, und zweitens ist man doch froh, im Schlechtwetterfall noch das eine oder andere Ass im Ärmel zu haben... junge Familien werden dies zu schätzen wissen...

Zum Ende noch ein Link zu einem tollen Video namens "Ein Tag am Meer", auf das ich über GoogleMaps aufmerksam geworden bin - eine Liebeserklärung an Kühlungsborn...


LG
M.Kupfer








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6. August 2008 3 06 /08 /August /2008 22:12
Beruflich gerate ich gelegentlich in die missliche Lage, auf Veranstaltungen der Rede eines sich selbst als konservativ bezeichnenden Oberindianer zuhören zu müssen. Das ist zwar nur 2-3 mal im Jahr, aber das genügt mir völlig. Wäre ich nicht zur Loyalität verdonnert, wäre ich ein übler Zwischenrufer und würde aus dem Saal verbannt.

Die Rede könnte jeder CDU/CSU-Hinterbänkler (aka Wadenbeißer) von sich geben, wenn er nur dürfte. Die Fraktion weiß, warum solche Hinterbänkler nicht reden sollten. Weil es peinlich ist.

Hier aber bremst den konservativen "tief besorgten" Oberindianer niemand, also muss ich gnadenlos leiden...

Oder bin ich gar nicht alleine, wenn sich bei diesen Reden regelmäßig die Fußnägel hochrollen? Trotzdem - es scharrt niemand mit den Füßen, niemand grollt oder stöhnt auf, bin ich am Ende der Einzige in der Zuhörerschaft, dem diese Worte richtig Schmerzen bereiten??

Er erzählt immer dasselbe. Seit Jahren! Ist das konservativ? Oder einfach nur phantasielos? Oder beides?

Ich komme nur in einem Punkt mit ihm auf einen Nenner: In der Einsicht, die Dinge sorgfältig  und überlegt anzugehen und keine Schnellschüsse zu starten. Das war es aber schon. Und eine Binsenweisheit.

Ansonsten sehe ich mich in den Anschauungen und Vorstellungen, in der politischen Ausrichtung und Überzeugung in einer anderen Ecke als er, diametral entgegen gesetzt sozusagen. In so ziemlich allen Punkten muss ich ihm widersprechen. Nicht aus dem Prinzip "Opposition", sondern ganz echt und ehrlich. Aus tiefster inhaltlicher Überzeugung.

Meine Loyalitätsverpflichtung hindert mich aber am offenen Widerspruch.

Nicht falsch verstehen: Ich kann konservative Zeitgenossen durchaus mit ihrer Sicht der Dinge stehen lassen und akzeptieren, ich kenne, da ich sehr viel mit Arbeitgebern, Mittelständlern und CDU-lern zu tun habe, eine Menge konservativer Menschen.

Ich komme klar, ohne meine Meinung an diese Leute anpassen zu müssen. Ich schätze wertkonservative Menschen. Als Grüner sehe ich an dem einen oder anderen Punkt sogar Überschneidungen und Möglichkeiten zum Konsens (sicher nicht bei der Atomenergie, aber das ist ja auch kein wertekonservativer Punkt sondern Lobbypolitik... ups, ich schweife ab...). Das  sind aber eher Leute wie unser Alt-Bundespräsident Weizsäcker, der UN-Mensch Töpfer oder sogar Herr Geißler.

Keineswegs aber die Herren Kohl, Oettinger, Koch oder die Dame Haderthauer.

Und was sowas von gar nicht geht, ist dieser wirtschaftskonservative Oberindianer, der sich offenbar als "tief besorgter" letzter Konservativer seiner Art zu diesen niederschmetternden Reden "zur Lage der Nation" berufen sieht....

Er ist "tief besorgt". Immer! Keine Zuversicht, kein unternehmerischer Optimismus, kein Elan, das Beste aus den Widrigkeiten der Gegenwart zu machen.

Er ist Unternehmer. Als solcher kann man sich ein ewiges Hadern eigentlich nicht auf die Fahne schreiben. Da sind Macherqualitäten gefragt. Optimismus. Und keine ewige Klage.

Aber: Er ist aus Prinzip "tief besorgt" und wird nicht müde, dies jedesmal mehreren zig Zuhöreren mitzuteilen. Tiefe Sorge als Lebensphilosophie, ungeachtet der aktuellen Situation.

Sommers wie winters! Als Rot-Grün regierte, seitdem die Große Koaltion regiert - und es wird auch so sein, wenn 2009 eine Regierung mit Merkel/Westerwelle in den Atomfarben schwarz-gelb antritt.

Er wird mit keiner Regierung zufrieden sein, mit keiner. Die Regierung kann es gar nicht gut genug machen. Die Regierung, die er will, kann es gar nicht geben.

Immer ist er "in tiefer Sorge"... und er schaut dabei auch immer sehr besorgt, mit Falten auf der Stirn, so, als befürchtet er, man wolle man ihm alles wegnehmen, sein Hab und Gut, sein Weltbild, alles....
Konservativ sein heißt bewahren. Bewahrt er sein kompakt-lineares Weltbild bar jeder Vernunft??

Wenn das schon kommt, das mit der "tiefen Sorge". Er trägt dabei mit sorgenzurfurchter Miene vor, betont vernünftig akzentuiert.

Die Steuerpolitik bereitet ihm "tiefe Sorgen". Die Linken, die CDU, die Wirtschaftspolitik, die Familienpolitik, die Umweltpolitik...

Desgleichen natürlich die Emanzipation, diese sei ein schwerwiegender Fehler, weil die Familien zerstört worden seien.

Die "68er" werden dann in einem Extra-Kapitel der Rede auch in aller Regel gebashed, was das Zeug hält, wo sie doch "soviel Ungemach" über "uns" gebracht haben... sie haben die Autoritäten kaputt gemacht, Bindungen zerstört, die Familien, alles haben sie kaputt gemacht, alles, alles, alles...! Kein Stein mehr auf dem anderen, alles Schöne einfach aus ideologischen Gründen kaputt gemacht....

Nicht ein bisschen kann man den Eindruck gewinnen, der Mann habe sich irgend wann einmal ernsthaft mit "68" auseinander gesetzt. Alles wirft er in einen Topf.

1968 war dieser Mensch Jugendlicher. Hat ihn unsere kleine Kulturrevolution vor 40 Jahren so dermaßen traumatisiert? Oder sind es die berühmten sauren Trauben? Durfte er keine Rockmusik hören oder lange Haare tragen?

Oder war er als Jugendlicher damals schon unerträglich vernünftig? Ach, ich vergaß - nur maximal 20-30% der jungen Leute damals waren "68er" im engeren Sinne. Alle anderen waren brave Bürger. Warum aber sieht er das nicht einfach differenzierter? Niedersachsens Ministerpräsident Wulff, ebenfalls CDU kann das zum Beispiel. Und diverse andere unaufgeregte Leute, auch aus der CDU.

Warum gibt es nicht mehr Wulffs in der CDU??

40 Jahre danach den damaligen Aktivisten die Schuld für "mit tiefer Sorge" festgestellter Missstände der Gegenwart zu geben - ungeachtet vieler anderer Phasen, z.B. der Yuppie-Zeit der 80er, der Spaß-Phase der 90er - hört sich nach vernichtendem und vor allem undurchdachtem Rachefeldzug an.
68er-Bashing a la Eva Hermann.

Es lebe das Feindbild, das selbstverständlich links auszumachen ist. Eine üble Verschwörung linker Revolutionäre, uuhhh, daher kommt das alles. Sie sitzen in den Medien, den Schulen und Universitäten und betreiben rote Gehirnwäsche.

Eine gefährliche Junta, der man sich als "tief besorgter" Konservativer entgegenstellen muss...

Nur zwei Lebensbereiche, so stellt der sonst "tief besorgte" Konservative nun fast erleichtert fest, seien von "68" verschont geblieben - die Familienunternehmen und die (katholische) Kirche....

Wie bitte, geht's noch? Schon mal was von Dialektik und Wertewandel gehört? Nennt er seine Auszubildenden noch "Stifte"?

Mit "tiefer Sorge" beurteilt er übrigens auch die Pläne, dass der Konferenzsaal, in dem wir uns befinden, demnächst saniert wird (hoffentlich nicht so ein Schicki-Micki-Kram...). Jaja, überall lauert der Feind, sogar hier. Das Böse ist immer und überall...

Der Armutsbericht der Bundesregierung - oh Wunder - bereitet ihm keine Sorge, nicht mal ein bisschen. Arm sind die Leute nicht hier, sondern in Afrika, oder Indien, aber nicht in Deutschland, nein, das gibt es hier nicht. Hat sich wieder einer von den linken Gutmenschen ausgedacht. DAS bereitet ihm wieder "tiefe Sorge".

Wer arm ist in Deutschland, ist in Wirklichkeit nicht arm, außerdem seien die Leute auch selbst schuld, weil sie keine Verantwortung übernehmen. Anlass, hier etwas selbst beizutragen, etwa eine soziale Einrichtung finanziell zu unterstützen, sieht er nicht, da Umverteilung nie etwas bringe.

Er stützt seine Überlegungen auf den katholischen Wertekanon, nach dem Selbstverantwortung gefördert werde.

Christliche Nächstenliebe mal anders? Wie war das mit dem Reichen, dem Kamel und dem Nadelöhr? Hat er die Bergpredigt verstanden?


Dann kommt ein Spruch aus dem CDU-Wahlkampf von 2005: "Sozial ist, was Arbeit schafft..." und "Arbeit hat Vorfahrt".

Da schau her. Wie er zur Befreiungstheologie oder "Kirche von unten" steht, kann man sich ja zusammen reimen...

Desgleichen hat er erhebliche Zweifel am bestehenden Klimawandel. Konsequenterweise lehnt er etwaige Maßnahmen gegen den Klimawandel (die ja nur mit Einschränkungen für die Unternehmen verbunden sein können) kategorisch ab, wozu auch, es gibt ja keinen Klimawandel. Das ist alles nur Zeitgeist, man werde sehen, da ist nichts dran. Das diene dem Staat nur dazu, "die Wirtschaft" zu gängeln.

Woher weiß er das?

Begrüßen tut er aber die ungetrübte Begeisterung bei den Weltjugendtagen für Papst Benedikt XVI. Man müsse dem radikalen Islamismus - aus dem viele Menschen in den muslimischen Ländern ihre Kraft ziehen - einen radikalen, ja fundamentalen christlichen Glauben entgegen setzen, natürlich katholisch.

Hmm, tatsächlich? Wie wäre es mit gesunder Säkularität? Ich will niemandem den Glauben nehmen, aber religiöser Glaube ist Privatsache und ein derart empfindliches Thema, dass es in einer Rede zur lokalen Wirtschaft m.E. keinen Platz einnehmen darf.

Er begrüßt außerdem einen  angeblich
neu erwachenden Patriotismus, den er in der Begeisterung der Massen etwa bei der WM oder EM zum Ausdruck kommen sehen will. Das mache doch Hoffnung.

Vielleicht wollten die Massen einfach nur eine schwarz-rot-goldene Party?

Verbreitet der "tief besorgte" Konservative dann doch ausnahmsweise Zuversicht? Interessant ist die Begründung: Bedingungslose Begeisterung für Papst und Vaterland als Hoffnungsschimmer...

Es kommen andere Zeiten, sagt er mit sorgenvoller Miene, er sei optimistisch, dass bald wieder Kernkraftwerke in Deutschland gebaut werden. Dass ein mittlerweile von der politischen Bühne verschwundener, aber noch bekannter CDU-Finanzexperte Merz wieder komme (der mit der Bierdeckel-Steuererklärung).

Die Zeit der Hirschs und Leutheusssers in der FDP sei endlich vorbei...

Im Polarisieren ist er auch groß, der "tief besorgte" Wirtschaftskonservative...

Langsam komme ich in die Phase beim Verfassen dieses Beitrags, in der mir zu jedem Satz nicht nur ein kurzer Einwand, sondern gar eine ausführlich begründete Gegenthese einfällt. Das würde aber ausufern. Siehe einfach zB in das Grüne Grundsatzprogramm, dann wisst ihr, wie ich zu all dem stehe....

Vielleicht könnt ihr euch vorstellen, wie das ist, wenn ich immer wieder einer solchen Rede lauschen muss, die

a. von den immer gehörten phantasie- und humorlosen Thesen nur so wimmelt, die
b. bei mir auf inneren erheblichen Widerstand stoßen und Schmerzen verursachen (nicht übertrieben), weil ich nicht so etwas wie "völliger Blödsinn!!" brüllen darf, um meiner oppositionellen Haltung zu all dem Raum zu verschaffen, und schließlich
c. wie ich dabei mit meiner Pflicht zur Loyalität kämpfen muss....

Vernichtend ist die Bedingungslosigkeit, mit der dieser Mann seine humorfreien und phantasielosen Reden vorbringt. Er versucht gar nicht, seine ZuhörerInnen zu überzeugen, er drängt ihnen gnadenlos seine Weltsicht auf. Gerade bei den Themen Religion und Politik, bei Wertediskussionen kann er nicht davon ausgehen, das alle seiner Meinung folgen. Der Prediger auf der Kanzel spricht. Er hat eine Mission. Allem haftet ein Allgemeingültigkeitsanspruch an...

Das zeigt sich auch bei dem Statement, dass in der Gesellschaft feststehende (freilich katholische) Werte bestehen, über die man nicht mehr zu diskutieren habe (fehlt nur noch "basta"). Konservative glauben an so etwas wie ein zeitgeistresistentes, gottgewolltes "Naturrecht", wie auch immer dies gestaltet sein soll. Auf dieses - übergesetzliche(?) "Naturrecht" berief sich auch Helmut Kohl, als er sich weigerte, die Namen der Spender zu nennen...

Der Mann hat auch nichts davon gehört, dass nichts mehr dem Wandel ausgesetzt ist, als Wertevorstellungen. Mit Werten und Tugenden setzen sich seit jeher Philosophen und Schriftsteller auseinander. Das ist beständig - der Wandel, nicht feststehende Werte.

Übel ist auch die Miesepetrigkeit und der Pessimismus, die ewige Skepsis gegenüber allen neuen gesellschaftlichen Entwicklungen, politischen Entscheidungen, die er in all seinen Reden verbreitet.

Dabei spricht er auf den Veranstaltungen doch zu seinen Wirtschaftskolleginnen und -kollegen zu wirtschaftlichen und regionalen Fragen. Eigentlich. Aber dann wird es schnell so kategorisch, so vernichtend, so polarisierend. Er vermittelt den Eindruck, der "Wirtschaft" könnte es nur besser gehen, wenn sich die Gesellschaft grundlegend ändere, und zwar so, wie er dies beschrieben hat.

Damit der böse Staat nicht noch mehr in die Taschen der Bürger greifen kann...

Kommen wir zum Ende, bevor ich in die Tastatur beiße:

Zusammenfassend ist das ideale Gesellschaftsbild dieses "tief besorgten" konservativen Herrn patriarchalisch, streng katholisch, patriotisch und autoritär.
Frauen gehen in ihrer verklärten Rolle als Hausfrau und Mutter ganz auf. Die müssen nicht in den Beruf, ihre Berufung von Gottes und Naturgnaden reiche ihnen völlig... Das patriarchialische Rollenbild, autoritär, prägt die kinderreiche Familie. Das Rechtssystem stützt sich auf ein archaisches "Naturrecht".

Technik- und Fortschrittsglaube dominieren. Die Macht - für ihn die gefühlte Mehrheit schon jetzt - liegt bei den wohlhabenden Bürgerlichen. Querschläger, Störer und  sonstige Gegner werden entsprechend als Vaterlandsverräter und Gotteslästerer unsanft behandelt.

Freiheit - das Wort der Liberalen betrifft weniger Bürgerrechte und Demokratie, denn Linke und Sozialdemokraten, natürlich auch Grüne gehören einer schwindenden Minderheit an, die sich dem neoliberalen Manchester-kapitalismus anpassen oder mit Schwierigkeiten rechnen müssen - sondern betrifft einzig und allein die unbeschränkte Freiheit der Unternehmer.

Lästige sozialpolitische Regelungen, zum Beispiel aus dem KündigungsschutzG, dem MuSchG, dem AGG, dem ArbZG und anderer sozialromantischer Schnickschnack gehören der Vergangenheit an. Gewerkschaften sind entmachtet, Tarifverträge obsolet, Löhne und Gehälter diktiert nur der Markt, sprich der Unternehmer... Wer nicht spurt, fliegt.

Achja, die Kleinstaaterei schlägt um sich, denn die Bundesländer werden in Regionen zerschlagen, in der jeder Bezirksfürst schalten und walten kann, wie er mag.

Ok, der letzte Satz ist nicht verbürgt - aber das andere ist verbürgt!

Wenn pessimistische Konservative wie er schon mal "tief besorgt" sind und man sie widerspruchslos reden lässt, dann kommt so ein abgefahrenes Weltbild heraus, das Bild einer Gesellschaft, wie sie vielleicht zu Zeiten der Industriealisierung Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts bestand.

Ideologisch sind dabei immer die anderen, die Linken natürlich.

Ich will keinem das Denken oder die Meinungsäußerung verbieten, aber ich muss mir jedesmal etwas widerspruchslos (da zur Loyalität verdonnert) anhören, was mir komplett widerstrebt. Wer sich mit derartig haarsträubenden Überlegungen in die Öffentlichkeit begibt, muss auch mit Gegenwind rechnen - leider kommt der nicht. Höflichkeit und beruflich notwendige Loyalität gehen vor.

Meine "Therapie": Mittlerweile verlasse ich zwischenzeitlich den Saal auf dem Weg zum WC, und komme nicht mehr zurück - um nicht zuhören zu müssen.

Mein Loyalitätsverhalten: Ich brülle nicht "Was für ein Blödsinn!". Ich schalte die Ohren auf Durchzug und ärgere mich fürchterlich. Mehr kann ich nicht bieten, sorry.

Und dann schreibe ich Beiträge wie diese, um das mal loszuwerden.

LG

M.Kupfer

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24. Juni 2008 2 24 /06 /Juni /2008 22:09
Im Summer Of Love 1967 war ich, also der Autor dieses Blogs gerade 6-9 Monate alt.
Natürlich wuchs ich sehr behütet in einem braven bürgerlichen Haushalt auf. Von der Energie, die dieser bewegten Zeit inne wohnte - APO, Anti-Schah-Demos, Kommune 1, Kinderläden, das Festival von Monterey, Anti-Vietnam-Demos, die Reden und Auftritte Rudi Dutschkes - bekam ich seinerzeit nicht viel bzw. gar nichts mit.

Mit 2 Jahren hörte ich mal - versehentlich - härteste Rockmusik im Radio, es stellte sich später heraus, dass dies Jimi Hendrix war - der Sound seiner Gitarre war unverwechselbar...

Die 70er gingen so dahin und waren für die Kinder damaligen Zeit in erster Linie musikalisch vom allgemeinen Gedudel - Schlager, Abba - geprägt. Manchmal kam mal ein Fetzen Rockmusik in das Wohnzimmer, aber eher selten.

Das aber holte ich später nach, ab vielleicht 16 oder 17 Jahren.

Wir schrieben zwar schon 1983, aber dennoch entdeckte ich binnen kurzer Zeit die Jugend- und Rockkultur meiner frühesten Kindheit, zugleich sog ich die Ideen der APO, der Hippies, der Aussteiger und Querdenker jener Tage auf - und mein Schicksal war besiegelt. Nie wieder sollte ich mich mit Mainstream zufrieden geben, immer würde ich eine gewisse Aversion gegen konservative Lebensentwürfe hegen, immer ein wenig Rebellion leben. Ich kann damit aber gut leben....

Meine musikalische Sozialisation war also geprägt von Flower-Power und Rock - und später Punk, Independent, Grunge und Crossover.

Meine Plattensammlung - jaaaa, richtige schwarze Vinylplatten - zu Flower Power und Rock der 60er Jahre:

The Doors, Santana, Pink Floyd, Jimi Hendrix, Santana, Neil Young, Rolling Stones, Beatles, Jefferson Airplane, Velvet Underground, Procol Harum, Genesis, King Crimson, The Seeds, Manfred Mann's Earthband, The Who, Small Faces, Vanilla Fudge, Blue Cheer, Iron Butterfly (natürlich "In A Gadda Da Vida"!), Focus, Golden Earring (beide aus den Niederlanden), The Zombies, The Troggs, Frumpy, The Free, Guru Guru, Amon Düül2,  Quicksilver,  Rare Earth, Jeff Beck, Deep Purple, Led Zeppelin, Black Sabbath....

The Byrds in Monterey mit Jimi Hendrix' "Hey Joe":

Ein paar Interpreten werde ich noch näher vorstellen, da mich diese Bands bzw. einzelne Songs maßgeblich geprägt bzw. begeistert haben (die LP's knistern auch besonders).


...

Grüße

M. Kupfer

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27. Mai 2008 2 27 /05 /Mai /2008 21:48
Konzeptalben sind so eine Sache: Ein/e Künstler/in oder eine Band oder ein Zusammenschluss mehrerer Künstler/innen produzieren ein Album, meist ein Doppelalbum mit einer bestimmten Grundidee, einem Plot, einer Story oder wer weiß was.

Oft werden später 1-3 Tracks zu Hits. Die Konzeptalben passen vor allem in die ausgehenden 60er und in die 70er Jahre, letzteres eine Dekade, in der vor allem Bombast-Rock-Bands a la Pink Floyd, Jethro Tull, King Crimson oder Genesis aktiv waren.

Nix für Punx - schon klar. Die haben das gehasst und ihr eigenes Ding gemacht. Die kommen aber in einem späteren Artikel dran.

Hmm, also, Konzeptalben. Für meine Begriffe waren sie DER Soundtrack der 68er-Kultur.
Weg von den kommerziellen Singles, die Rockmusik wollte "erwachsen werden". Inhalte, Ideen, gepaart mit musikalischer Experimentierfreude....

Dazu ein Artikel aus der TAZ vom 21.04.2008:
http://www.taz.de/1/leben/musik/artikel/1/the-wasted-years-so-close-behind/?src=AR&cHash=62d14b1755

Und, wer's mag, Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Konzeptalbum

und schließlich:
http://forum.rollingstone.de/archive/index.php?t-8131.html

Prägend:
- sehr lange Stücke, experimentell, evtl drogenbeeinflusst?
- technisch ausgefeilt, da die Studiotechnik immer mehr zuließ, so das Einspielen von Sounds, Geräuschen etc.;
- jedes Stück hatte auf dem Album seinen Platz und durfte nicht aus dem Zusammenhang gerissen gehört werden;
- bedeutungsvolle Texte (mehr oder weniger)
- grundsätzlich keine Single-Auskopplungen mehr.

Spontan fallen mir da an Werken ein:

- Beatles, Sgt. Peppers;
- Beatles, White Album
- Beatles, Let It Be
- Rolling Stones, Beggars Banquet;
- Rolling Stones, Their Satanic Majesties Request,
- The Doors - The Doors;
- The Who - Tommy;
- The Who - The Kids are allright;
- The Who -  Soundtrack zu "Quadrophenia"
- A. Loyd Webber: Jesus Christ Superstar;
- div.: Hair
- Pink Floyd - alles ab Ummagumma, so z.B. Atom Heart Mother, Dark Side Of The Moon, Wish You Were Here, Animals, The Wall, The Final Cut;
- Genesis - Selling England By The Pound, Foxtrott, The Lamb Lies Down On Broadway...
- King Crimson - The Court Of The Crimson King;
- Queen -II, Sheer Heart Attack, A Night at The Opera, A Day At The Races, News Of The world, Jazz, Soundtrack Flash Gordon
- Supertramp - Crime Of The Century
- Jeff Wayne - War Of The Worlds....

to be continued....

Einzelne Alben, wie ich sie im "Schwingungen-Beitrag" unter VII aufgeführt habe, gehören thematisch sicher auch hinzu.

Erwähnenswert, weil ungewöhnlich und ziemlich genial war Jeff Wayne's "War Of The Worlds" aus dem Jahr 1978.

Es war die Musical-Version des alten Science Fiction -Klassikers "Krieg der Welten" von H.G. Wells aus dem Jahr 1898. Die Story ist simpel: Marsbewohner greifen die Erde an - Punkt. Das Interessante an Wells' Story: Die Hörspielversion von Orson Welles löste in den USA 1938 heftigste Irritationen in der Bevölkerung aus, da diese das Hörspiel für einen wahren Live-Bericht hielten....

Wie endet die Story? Die Marswesen gehen schließlich an den irdischen Bakterien zugrunde....

Selten hatte ein Konzeptalbum alter Schule mit progressivem Rock von u.A. Justin Hayward, Chris Thompson, David Essex und mit Text-Unterstützung von niemand geringerem als dem 1984 verstorbenem Schauspieler Richard Burton einen derart kommerziellen Erfolg erzielt.


hier die Live-Version "Eve of the war" - 2006 - erstmalige Konzertaufführung nach fast 30 Jahren!)



Soweit erst einmal das zu den Konzeptalben.

Grüße

M.Kupfer



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14. Mai 2008 3 14 /05 /Mai /2008 09:03
Nachträglich zum "neuen" SDS 2008, auf die Beine gestelt von der Partei die LINKE muss ich noch einen LINK (sic! ;-)) zum verfassungsmäßigen Zustand der Partei loswerden. Ich hatte es schon angedeutet: Die WASG - von Schröders Agenda 2010 frustrierte SPD'ler mit eigener Partei im Jahr 2005 angetreten - wurde durch die Fusion mit der alten PDS "geschluckt", auf das die PDS als Nachfolgepartei der SED auch auch im Westen Wählerpotential finde.

Die LINKE, so stellte nun der Verfassungsschutz fest, werde von Extremisten unterwandert, so von der Kommunistischen Plattform um Frau Wagenknecht.

Noch einmal ein Bezug zum SDS: Der alte SDS von "68" hatte mit der SED soviel zu tun, wie ein Traktor mit einem Ferrarirennen. Also gar nichts. Die Studentenbewegung von 68 war nicht nur links, sie war vor allem auch liberal. DAS ist aber mit der KPF der LINKEN so ziemlich gar nicht vereinbar. Die K-Gruppen der 70er bildeten nur eine radikale, sehr dogmatische Randerscheinung nach 68. Der SDS von 68 war der alten SED auch eher unheimlich. Immerhin wurde sie von Rudi Dutschke geführt, einem Linken, der der "linken" DDR ostentativ den Rücken gekehrt hatte und auch sonst seine Schwierigkeiten mit dem SED-Regime hatte. Sein Traum vom "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" ließ sich in der DDR nur schwer bis gar nicht umsetzen. Rudi Dutschke wäre in der DDR auch von der Stasi beobachtet und als Dissident entweder verhaftet oder wie Biermann bzw. Nina Hagen seinerzeit zwangsausgewiesen worden.

Einzig der SDS in Köln - ausgerechnet im tiefsten Westen - konnte "gut" mit der SED. Aber die bildeten eine Minderheit.

Zum Artikel:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,553114,00.html

M.Kupfer



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5. Mai 2008 1 05 /05 /Mai /2008 15:14
Anbei ein lesenswerter Artikel zum Verständnis der Partei die LINKE zu 68 pp:

http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,551477,00.html


"Der Sozialismus ist gar nicht tot. Er nimmt nur einen neuen Anlauf. So sehen es die meisten der 1600 Studenten, Schüler, Wissenschaftler und Gewerkschafter, die am Wochenende aus der ganzen Republik in die Hauptstadt kamen. Der SDS als Hochschulverband der Linkspartei hatte zu einer 68er-Nachlese an die Berliner Humboldt-Uni geladen. Über dem Hauptportal der Universität prangte in Lila ein Stofftransparent mit der Aufschrift: "Sozialismus - und zwar Flatrate.""

M.E. ist zum einen zu hinterfragen, ob "DIE LINKE" auch nur irgend etwas mit dem politischen Erbe von "68" zu tun havben soll. Wir erinnern uns: Die LINKE ist entstanden nach einer Fusion der Partei PDS (rechtlich die Nachfolgepartei der SED) und der Partei der SPD-Frustrierten, der 2004/05 gegründeten WASG. Der Anteil der PDS, personell und ideologisch, dürfte den Anteil der WASG erheblich überschreiten.

Die PDS und "68"?Die PDS als SED-Nachfolgepartei ist zunächst in erster Linie Ostdeutschland-geprägt. Erst durch die Fusion mit der WASG zur LINKE erhält die alte PDS doch erst Zugang zu den westlichen Parlamenten. Das haben Gysi und Co immer wieder betont.

Die PDS-Altvorderen hätten sich 1968 ganz schön gewundert, wenn es in Ostdeutschland eine ähnliche Freiheitsbewegung mit dem wesentlichen Element "Auflehnung" gegeben hätte. Übersehen wrd hier, dass die APO nicht nur links, sondern vor allem auch liberal bestimmt war, weil es darum ging, sich "gegen das Establishment", gegen alles Hergebrachte aufzulehnen.

Außerdem:  Warum mit einer Politik für morgen am lange vergangenen Gestern anknüpfen? das Faszinosum, das 68 umgibt, ist nachvollziehbar, zumindest für mich. Dank an die damaligen Akteure!

Aber: All dies ist Geschichte, schon lange.

M.Kupfer

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5. Mai 2008 1 05 /05 /Mai /2008 10:16

zu o.g. Thema hier ein lesenswerter Link aus Spiegel-Online, "Eines-Tages":

http://einestages.spiegel.de/external/ShowAuthorAlbumBackground/a1859/l28/l0/F.html#featuredEntry

Frage Nr.1: Betrachtet man die damalige Poltik der "Bürgerlichen" um Charles de Gaulle - lassen sich Parallelen zu heute ziehen?

Ein Auszug aus dem Beitrag  zur damaligen Bildungsmisere:

"Auch an den Hochschulen rumort es. Die Universitäten befinden sich in einem hoffnungslosen Zustand. Selbst bei den Naturwissenschaftlern wird nach Methoden aus dem 19. Jahrhundert gelehrt. Die Vorlesungen sind überfüllt, die Baby-Boomer drängen sich in den Hörsälen wie auf den Bänken einer Grundschule. Statt zu reformieren, geht der Staat auf Sparkurs; die Hürden zur Hochschule werden höher gelegt. Aufstieg über Bildung wird jetzt schwerer, während die Professoren auf ihren Elite-Status pochen."

 Frage Nr.2:  Wie betrachtet man heute, 40 Jahre danach die legendären Auseinandersetzungen? Immerhin - die Proteste liefen Richtung Revolution:

"Nach den Jahren der Zerwürfnisse schaut das Land 1968 nach innen, auf Ungleichheiten und gesellschaftliche Verwerfungen. Im Winter 1967 streiken die Textilarbeiter in Lyon; als die Rezeptgebühr erhöht werden soll, bricht in Le Mans offener Aufruhr aus, der brutal niedergeknüppelt wird, und während eines Tarifstreits in Caen bauen junge Metallarbeiter erstmals Barrikaden. Erst drei Jahre zuvor ist der blutige Algerienkrieg mit der Unabhängigkeit der französischen Kolonie beendet worden.

Und die Wurzeln des Mai 68 reichen noch weiter zurück: Nach Streiks in den Kohlegruben Nordfrankreichs 1963 hatte Präsident Charles de Gaulle die Region unter militärische Kuratel gestellt; die Kumpel hatten ihren Ausstand dennoch fortgesetzt. Im gleichen Jahr findet das Festival von "Salut les copains" statt, ein frühes französisches Woodstock, bei dem sich bei amerikanischer Musik rund 100.000 Jugendliche aus dem Bürgertum uns aus den Arbeitervorstädten verbrüdern. Damals wird auch die Messe in Latein abgeschafft und der Sozialist Francois Mitterrand fordert in seinem Wahlprogramm das Recht auf Verhütungsmittel."


M.Kupfer
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29. April 2008 2 29 /04 /April /2008 22:16

Was gab es eigentlich an elektronischer Musik vor der Techno-Phase der 90er Jahre? An tanzbarer Musik a la Love Parade eher wenig, dafür aber eine Vorform von Trance.

Eigentlich gehören die "Schwingungen" weniger in den Bereich Rock. Aber wohin dann? Na, das mit den "Schwingungen" war so: Es handelte sich um eine speziellle Radiosendung im WDR. Die lief donnerstags von Januar 1984 bis Ende März 1995, moderiert von Winfried Trenkler, bis einschließlich 1986 alle 14 Tage, ab 1987 wöchentlich. Diese Sendung begann immer mit Harald Großkopf's Stück "So weit so gut".


Der Bogen zum Rock kann sicher über die Schiene Art Rock und Psychedelic Rock aus den 60er/70er Jahren gezogen werden. Winfried Trenkler spielte uralte Stücke aus den frühen Tagen von Tangerine Dream

(link
, s. auch





Tangerine Dream veröffentlichten in den 80ern einiges Neues z.B.:

1984: Live-Album eines Konzerts in Polen
1985: Le Parc
1988 "Song of The Whale - from Dawn To Dusk".

Zu den übrigen "alten" Interpreten gehörten außerdem Klaus Schulze, Eroc, Ash Ra Tempel, Michael Rother, - alleine und mit "Neu" -, Amon Düül, Less Mc Cann (eher Jazz), Bo Hansson, Jean Michel Jarre. Klaus Schulze veröffentlichte 1985 "Interface", von Jean Michel Jarre gab es in den 80ern zwei erwähnenswerte Werke, nämlich "Zoolokology" (1984) - ein abgedrehtes, von Soundeffekten (Supermarkt??) durchsetztes Album. Besser, sehr viel besser  erschien "Rendezvous" (1986) mit dem an eine Raummission im Jahr 1986 - mit tragischem Ausgang - erinnert wurde.

Neuere Dinge liefen von Robert Schroeder, Philip Glass, "Mind over Matter" aka Klaus Hoffmann-Hoog, Nik Tyndall, Yello, ELM, Twice a Man, Peter Davison, Adalbert von Deyen, Dieter Schütz, Claude Larsson, Mergener/Weisser, Rainer Bloss, Cocteau Twins, Triatma, Serge Blenner, Kitaro, Gandalf, Dennis Hart, Peacock, Double Fantasy, Peter Schäfer......

In der ersten Sendung "Schwingungen" Anfang Januar 1984 lief am Ende das Stück "Tubular Bells" von Mike Oldfield (1973) in voller epischer Länge von über 20 Minuten. Als Schüler der Oberstufe verfolgte ich die Sendung später nicht weiter (22:30-0:00 Uhr war für mich mit 17 Jahren einfach zu spät).

Im Sommer 1984 (Ferien!) schaltete ich mal zufällig hinzu, als Winfried Trenkler ein Stück aus Walter Carlos "Sonic Seasonings" - nämlich passenderweise "Summer"- laufen ließ.

Carlos hatte 1972 auf einem Doppelalbum die vier Jahreszeiten vertont, teils mit Synthis, teils mit Klängen aus der Natur. Für jede Jahreszeit nahm er sich eine LP-Seite Zeit. "Summer", das waren 20 Minuten, ja, galaktisches Rauschen von einer Stereobox zur anderen. Ein wenig eintönig vielleicht, aber doch faszinierend, da experimentell und .... anders.



Mein alter Freund Ulrich, mit dem ich da
s Interesse für elektronische Musik teilte, hatte "Summer" während der Sendung aufgenommen und spielte es mir später noch einmal vor.

Später im Herbst lief immerhin "Autumn" - leider hatte ich keine Cassette zur Hand. Bei "Winter" hört man Eisschollen knirschen.

Aber: Bei der Sendung am 25.10.1984 war ich erstmals mit dem Tapedeck dabei.
Soweit möglich, verfolgte ich von da an die Sendungen und nahm auf, schrieb mit (da ich mir all die vielen Interpreten beim besten Willen nicht merken konnte). Dieses ungewöhnliche Hobby betrieb ich bis zu Beginn meines Studiums im WS 1989/90.

Ich schilderte dies bereits an anderer Stelle: Eine Kiste mit zig Cassetten steht auf dem Speicher, in gutem Zustand, wie ich neulich feststellen durfte....



Kunst oder Tatort-Begleitmusik? Oder doch eher etwas für den Fahrstuhl?


Ist das eigentlich Kunst? Oder ernstzunehmende Musik? Bei Carlos Summer oder tangerine Dreams "Phadra" kommen manchem Zweifel auf - bei mir nie.

Manch Album erinnert tatsächlich an den Tatort oder an andere Krimis im TV, vor allem die Stücke von Tangerine Dream aus den 80ern. Das war auch nicht einmal weit hergeholt. 1982 lief ein Schimanski-Tatort mit dem titel "Das Mädchen auf der Treppe" - den Soundtrack dazu lieferten Tangerine Dream.

Die Krautrock-Band CAN lieferte 1977 den Soundtrack zu "Das Messer".


Mein Eindruck von der elektronischen Musik der 70er und 80er war: Die Künstler präsentierten zumeist experimentelle und lange Stücke, ruhig aber abwechslungsreich genug, schufen Bilder im Kopf. Sie war genau richtig, um mit dem Kopfhörer auf dem Kopf auf seinem Bett zu liegen, nachzudenken und darüber wegzudösen, etwas zu schreiben (Brief, Tagebuch, Sonstiges) oder am Schreibtisch etwas zu künstlerisch zu schaffen, sei es die obligatorischen Arbeiten im Fach Kunst, seien es andere eigene Werke.

Was gab es Schöneres als zu Ashra Tempels "Midnight on Mars" vom Schulalltag auszuspannen, oder vom Zivi-Geschehen?


Meine Anschaffungen damals aufgrund der "Schwingungen":

Robert Schroeder's "Brain Voyager" (1985/86) erwarb ich im April 1986. Das besondere an diesem Album: Es war  mit der "Kunstkopf-Technik" produziert. Dazu war ein künstlicher Kopf hergestellt und innen mit entsprechenden Mikrofonen ausgestattet worden, um die Akustik im menschlichen Ohr nachzuempfinen. Das war ein besonderes Hörerlebnis, muss ich schon sagen. Vor allem das zweite Stück auf dem Album - gesungen von einer Frau, hört sich an, als befände sich die Sängerin direkt vor mir in einem leeren Raum.... Das Album war em soundtrack für einenFilm namens "Glücksgedanken".






Mind Over Matter: The Colours Of Life" (1988): Das vom Cover her sehr an "Pink Floyd- Wish You were Here" erinnernde Album ist entspannend, kommt aber ein wenig esoterisch daher. The Colours of Life widmete der Künstler Klaus Hoffmann-Hoog seinem damals gerade geborenem Sohn, der mit einem Baby-Juchzer verewigt wird. Der Sohn ist mittlerweile 20 Jahre alt (das Album auch, ich erwarb es irgendwann im Jahr 1988).







Klaus Schulzes "Moondawn" aus dem Jahr 1976:
Ich erinnere mich noch sehr an ein "Freie-Mitarbeiter-Wochenende" in einem Klever Jugendheim im Spätherbst 1985. Draußen stand dicht der Nebel, drinnen im Saal spielten ein paar Jungs im sonst bis auf ein paar alte Polstermöbel leeren Saal (der sonst für Feten, OT's und anderes zur Verfügung steht) Billiard. Dazu lief bei Schummerlicht die erste Seite des Albums Moondawn. Abgedreht! Etwas Besonderes rauchen oder irgendwelche Pilze essen muss man dann auch nicht mehr.....





Das Schulze-Album Blackdance aus dem Jahr 1972 kommt sambamäßig daher -->



Das Album Phaedra von Tangerine Dream - 1973 - erhielt ich von meinem Freund Ulrich, der sich beim Kauf offenbar vergriffen hatte. Ich fands super. Es erinnert an eine Eis- und Schneelanschaft. Als ich das Anfang 1985 das erste mal hörte, fiel dichter Schnee in der Winternacht. Ich blickte aus dem Fenster und im Hintergrund lief Phaedra. Passender hätte ein Soundtrack zum Wetter draußen nicht sein können....





Zu dem Album "Tangram" aus dem Jahr 1980 sagte ein Cousin damals: Das hört sich an, als leierte jemand lustlos ein Gedicht herunter. Ja, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt....


Ziemlich klasse fand ich Manuel Göttschings - Ash Ra Tempel IV "Inventions for Electric Guitar" aus dem Jahr 1974:

Es ist beruhigend - und genial gespielt, fast so wie Midnight on Mars.


s Video: Echowaves...
Listen and Chill out







1989/90 endete meine "Schwingungen"-Euphorie. Gelegentlich schaltete ich mal hinzu. Aufnehmen tat ich nichts mehr. Der Abschied 1995 fiel mir gleichwohl schwer.

Danach legte Winfried Trenkler seine CD-Serie "Schwingungen" auf (Radio op CD). Ein Freund schenkte mir zu einem Geburtstag drei Folgen der Serie. Für mich war, da auf den CD's die Stücke nicht vollständig gespielt wurden, die Angelegenheit "Schwingungen" damit vorerst beendet. Hörgewohnheiten ändern sich...

Man beachte den Begleitzettel: Winfried Trenkler veranstaltete Seminare zur frühen Geschichte deutscher elektronischer Musik....


Lang ist sie her, meine "Schwingungen" - Phase, Vieles befindet sich auf Audiocassetten, die  sind womöglich historisch wertvoll, wer weiß?

M. Kupfer












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