23. April 2008
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20:47
Bevor ich zu meinem nächsten Spezialhema - elektronische Musik - komme, muss ich hier ein Kapitel zu meiner Rock-Sozialisierung durch Radio, Rock-Literatur und Freunde/Bekannte verfassen.
An die Jüngeren: Fällt euch was auf?? Ich habe mit keinem Wort MTV, VIVA oder andere Musikvideosendungen erwähnt. Und MP3 gabs zu meiner Jugend nicht. Ich sagte es bereits - Schallplatten, Cassetten, Radio waren die Hauptbezugsquellen für meine rockmusikalische Früherziehung, vielleicht noch Feten, bei denen dies und das gespielt wurde... . Hinzu kamen noch Bücher über Rock -, Punk und anderes, die ich mir im modernen Antiquariat für ein paar Mark besorgt hatte. Vielleicht gab es mal Fernsehsendungen zu einer Band, einer Stilrichtung. MTV gab es erst ab Mitte der 80er in die Wohnzimmer. Gelegentlich sickerten die ersten Videos durch den "Holländer" zu uns. Ab 1983 gab es die Sendung "Formel 1". Für den immer spät gesandten "Rockpalast" - Konzertaufnahmen - war ích noch zu jung.
Zunächst zum Radio:
Ich bin in Nordrhein-Westfalen beheimatet, befinde mich also im Sendebereich des WDR. Zwar bekamen wir wie gesagt den "Holländer" - grenznah, wie wir wohnten, der war aber erst einmal nur für die "Charts" zuständig.
Der WDR hatte bis Mitte der 80er 3 Sender - WDR 1-3.
WDR 2 bot ein paar Sendungen für Jugendliche, Anfang der 80er erlebte ich noch das Ende der "Radiothek" und des "Rock'n'Roll-Revival" sowie "Musik nach der Penne".
Dann kam 1981 die erste Programmreform des WDR, die ich bewusst, mit 14 erlebte: Nachmittags lief dann in der Woche auf WDR 2 der "Treffpunkt" mit verschiedenen Moderatoren (dazwischen die "Hörbar", die lustig sein sollte). Die interessanten Sendungen abends gegen 20:00 Uhr hießen noch"Schlagerrally" - lange Zeit montags - und "Mal Sondock's Hitparade" - mittwochs - die wir mit Cassettenrecordern bzw. Tapedecks mitschnitten. Einmal im Jahr im August lief "Rockpalast an der Loreley", meist mit Alan Bangs als Moderator. Der Gegenpart von Mal Sondock war Dave Coleman, der zwar sehr gut moderierte, aber Funk- und Soul-Musik spielte, die mich nicht sonderlich interessierte. Sehr interessant auch war, dass die Moderatoren der Spartensendungen viel Zeit damit verbrachten, Briefe von HörerInnen zu verlesen, die zum Teil aus dem Knast kamen, vor allem bei Dave Coleman und Volkmar Kramartz (Scream).
Mit den Jahren kamen weitere Lieblingsspartensendungen hnzu und lösten die bereits benannten nach und nach ab. Von Anfang 1983 bis August 1985 lief Sonntag abends die Sendung "Haste Töne?", eine etwas anspruchsvollere Rocksendung mit neuen und alten Alben.
Für diese Sendung sonntags ging ich in die Badewanne - Radiohören und Plantschen, statt Tatort mit Schimi schauen. Ab 1984 gab es in den letzten 15 Minuten dieser Sendung einen Teil mit Namen "Rock History" - und eröffnete mir das Tor zur Rockmusik vergangener Zeiten. Im August 1985 wanderte die Sendung als "Flippzeit" in den späten Samstagabend und machte Platz für die "American Top 40". 1985 war auch das Jahr, in dem WDR 4 auf Sendung ging und Modern Talking die Charts stürmte. Noch Fragen zu den Qualitätsstandards damals?
Die Flippzeit rutschte 1986 ins Nachmittagsprogramm und ersetzte den "Treffpunkt".
1984 begann die Reihe "Schwingungen" mit Winfried Trenkler für die Freunde elektronischer Musik, also von Klaus Schulze, Tangerine Dream, Jean-Michel Jarre und anderen Interpreten, eingeleitet wurde diese Spartensendung mit Harald Großkopf's "So weit so gut" eingeleitet. Dazu später.
Nur soviel an der Stelle: Ich habe auf unserem Speicher eine Holzkiste stehen, voll mit Cassetten, auf denen sich alte "Schwingungen" von Oktober 1984 bis etwa 1990 befinden. Die Aufnahmen sind noch voll und ganz brauchbar, wie mir einige Stichproben zeigten. Über 20 Jahre altes Bandmaterial!
"Scream", die Sendung für Schwermetaller u.A. mit Volkmar Kramartz lief ab 1986(?) dienstags abends ab 22:00 Uhr, in Abwechslung mit "Graffiti", einer Sendung für Independent- und Underground-Fans mit Thomas Elbern, dies bis 1995. Mitten hinein rutschte die RockSession mit Alan Bangs, später die"Alan Bang's Connection" - ein genialer britischer D.J. - vergleichbar mit John Peel bei BFBS brachte die herrlichsten Longplayer, z.B. von den Doors oder The Free, Cream, Iggy Pop und ich weiß nicht was mit den irrsten Geschichten zu den Bands und den Songs.
Die sehr ruhige, unaufgeregte Moderationsweise von Bangs, der ein unglaublich umfangreiches Fachwissen aufwies (10.000 LP's und CD's!), gespickt mit englischem Akzent und diese sagenhafte Musik und die geschichten dazu zu später Stunde bildeten ein Highlight im Spartenradio der 80er Jahre. Der Mann war den Rockpalast gewohnt - das merkte man....ein Profi eben
Freitagabends saß der Krawattenmann Götz Altzmann am Mikro und präsentierte Rock'n'Roll, Rackabilly und anderes aus den 50ern.
Irgendwann 1986 rutschte die gesamte SpartenDJ-Radio-Herrlichkeit nach WDR 1.WDR 1 war damals dann der Rock- und Popsender schlechthin.
1989 durften die Hörer in der Flippzeit eine Plattenkritik - schriftlich verfasst - einreichen, die dann von den Redakteuren professionell vertont (Vorlesen, Unterlegen mit der rezensierten Musik) gesendet wurde. Ich war auch dabei, mit einem Verriss über das Waters-Album von 1984 "Pros an Cons of Hitchhiking". Das brachte mir den Hörerbrief eines Menschen ein, der das Album eigentlich gut fand...
Radiohören war für mich Kultur. In meinem Zimmer standen in den 80er Jahren drei Radios - eines , das zur Stereoanlage gehörte (und mit dem ich auch alles mit geschnitten habe), sowie zwei alte Röhrenradios.
Eines war ein klassisches Radiogerät aus den späten 50er Jahren, mit Holzgehäuse, stoffbezogenen Lautsprechern, einem Katzenauge und riesigen elfenbeinfarbenen Tasten, mit denen man UKW, KW, LW und MW einschalten konnte, desgleichen riesigen Reglern für den Sender, die Lautstärke und "Dissonanz" und "Bass"/"Treble". Die Senderanzeige war ein sich über die gesamte Radiobreite erstreckendes coloriertes Glas mit zig Beschriftungen, Linien Zahlen und Städtenamen.
Das andere Röhrenteil war ein besonderer Schatz, der war noch älter als das oben beschriebene und befand sich in einem der ersten Fernsehgeräte, die in den 50er Jahren in den Wohnzimmern Wirtschaftswunderdeutschlands standen.Wer weiß - lief auf dem Bildschirm einmal das legendäre Finale bei der WM 1954? Ich hatte es im Juni 1983 von einem Kumpel erworben, für damals 20,-- DM. Das Teil war ca. einen Meter hoch und 50x60 breit bzw. tief, brauner Schleiflack, darin ein alter Fernseher, darunter das Radioteil (mit dem oben beschriebenen technischen Standard....) Davor, also vor Radio und Fernsehteil befand sich eine zweiteilige Lamellen-Schiebetüre, so dass man - wie es damals üblichg war - das Ding schließen konnte, wenn nichts mehr im TV/Radio lief (Sendeschluss!). Das Ding war vom Allerfeinsten, wenn der Fernseher auch defekt war, das Radio ging noch - genauso gut, wie das andere Röhrenradio. Es besaß ein vertikales Katzenauge, dessen Farbskalen sich von oben und unten kommend in der Mitte trafen, wenn der Sender perfekt eingestellt war.
Zum Transport dieser sperrigen, megaschweren "Mediothek" (Massiv-Holz plus Röhrenelektronik plus uralter Bildschirm...., die 50er ließen grüßen, da hat man Schwere und masse noch mit Wirtschaftskraft assoziert) eine Anekdote: Ich war 16, als ich das Ding im Sommer 1983 kaufte. Meine Eltern fandens gar nicht komisch. Ich musste mir etwas einfallen lassen, der Transport per Auto war ausgeschlossen (hätte wohl auch nicht einen Golf oder Opel Kadett hinein gepasst)! Von Frank bis zu mir waren es etwa 2 km Luftlinie. Aber der Weg! Es ging bergauf und wieder steil bergab, auf der Straße befanden sich tückische Steinchen, Rollsplitt noch und nöcher (die man sonst nie wahrnimmt....) .... Die Mediothek hatte unten kleine Räder, solche, wie sie normalerweise unter Ikea-Blumen-Tischchen oder HiFi-Racks zu finden sind - schwarzes Plastik. Die waren zwar hilfreich, erwiesen sich aber denoch als ausgesprochen hartnäckig beim Transport, vor allem bei Rollsplittsteinchen. Frank und ich mühten uns an einem heißen Tag wie bescheuert ab....
Nach bestimmt 1,5 Stunden waren wir dann bei mir daheim angelangt. Bis dahin war alles gut gegangen. Aber dann: Das Teil blockiert, hakt an einem Schottersteinchen jäh fest, es kippt nach hinten (hinten war offen, vorne war mit den Lamellentüren abgeschlossen) wir haltens krampfhaft fest, dafür fällt der gesamte nicht verschraubte Röhren- und Bildschirmteil heraus und knallt auf den Asphalt.... Die Folge: Der alte Röhrenbildschirm blieb heile, dafür hatte das Senderglas eine gewaltigen Riss. Außerdem war die eine oder andere Sicherung hinüber.
Mein Vater schlug damals die Hände über dem Kopf zusammen: Das Ding kommt nicht zu uns rein, das geht auf den Müll.... Das "Ding" stand dann aber am nächsten Tag in meinem Zimmer und war ein echter Hingucker! Musik konnte ich nach einem Auswechseln der Sicherungen hören.
Zu sehen ist das Schätzchen hier auf einer Kritzelei aus dem Jahr 1986:
Naja, auf den Müll kam es erst ca. 20 Jahre später, so um 2003, da hatte ich schon längst Familie und wohnte nicht mehr in Kleve. Und meine Lieben hätte ich schwer zum Behalten des halbdefekten Riesenteils aus einer anderen Zeit überreden können.
Zurück zum WDR. Die Programmstruktur des WDR 1 sah in den letzten knapp 4 Jahren wie folgt aus:
http://de.wikipedia.org/wiki/WDR_1
Und davor:
http://www.radiojunkie.de/wdr1.html
Die herrliche Spartenradio-und DJ-Radio-Welt endete, kurz vorher angekündigt, zum 01.04.1995. Seit Anfang der 90er Jahre hatte sich mehr und mehr das sog. Formatradio kommerzieller regionaler Sender mit ihrem Dudelfunk durchgesetzt (Radio Bielefeld, Antenne Niederrhein, Radio FFN etc). Formatradio hieß dies, weil der Anteil Musik und der Anteil Wortbeitrag sehr genau aufeinender abgestimmt waren. Die Musik wurde nicht mehr vom DJ-ausgewählt, sondern zentral eingespeist. Gerald Baars, der "Wellenchef" vom WDR legte am 01.04.95 den Hebel um und eröffnete so 1Live, ein Sender, der damals zumindest dem privaten Regional-Dudelfunk sehr ähnlich war. Die Spartensendungen vermengten sich im KultKomplex (oder besser: Schuldkomplex?). Haste da noch Töne?
Wollen wir mal nicht so unfair sein (altersmilde-tätschel): Ich gehörte wahrscheinlich schon 1995 zum alten Hörereisen und bin nicht die Zielgruppe (wie mir Herr Baars in einem Antwortbrief auf meine schriftliche Beschwerde über das Verschwinden "meiner" Sendungen indirekt beantwortete), das neue EinsLive präsentiert sich 13 Jahre nach Einführung wie folgt:
http://www.einslive.de/
Mittlerweile, 2008, hat sich still und heimlich im WDR2 eine fast täglich laufende Rocksendung namens "Soundfiles" ab 21.00 Uhr durchgesetzt.
http://www.wdr.de/radio/wdr2/soundfiles/profil.phtml
Zum sonstigen Musikprogramm in WDR2:
http://www.wdr.de/radio/wdr2/musik/index.phtml
Ein Aha-Erlebnis hatte ich 2005 bei einem Dänemark-Urlaub: Die Dänen hatten einen ganz hervorragenden Rocksender -die ganze Zeit lief Underground-Rock vom Allerfeinsten! Auf die Weise lernte ich auch "Kaiser Chiefs musikalisch kennen.... SO kann Rock-Radio auch sein!
Achja, einmal habe ich auch einmal eine Radiosendung produziert, die auch gesendet wurde, im Bürgerfunk von Radio Bielefeld. Das war 1997, ich produzierte damals mithilfe der Software "Cutmaster" einen Beitrag über ein Jugendheim, das gerade 15 Jahre Geburtstag feierte. Radiomachen ist recht unaufgeregt, mich faszinierte allerdings die Technik des Cutmaster (die heuet wahrscheinlich auch völlig out ist).
Zur Rock-Literatur noch ein paar Worte: Das erste Buch, das ich zu dem Thema "Rock" erwarb war im Juli 1985 "Rolling Stone - Bildgeschichte der Rockmusik, Teil2, Von den Searchers zu Bruce Springsteen". Es folgten später noch RockSession2, Salzingers "Rock Power" und ein geheimnisumwobenes Buch namens "Bomp" von Greg Shaw- die Zusammenfassungvon Beiträgen eines amerikanischen Fanzines aus den 60er Jahren - ein El Dorado für früheste Garagen- und Underground Musik!! Kennt jemand hier die Seeds mit Sky Saxon? Siehste....! War Punk anno 1966!
Das Rowohlt Lesebuch der Rockmusik war klasse, vor allem mit dem Text des Rockjournalisten Lester Bangs am Ende über frühen Punk und die Troggs - einfach sa-gen-haft! Ich hatte meine Mission, meine Grundidee theoretisch untermauert, die da lautet "Be underground". Mein weiteres Punk-Buch hatte den Titel "Wir waren Helden"
1992 las ich einen Roman von einem Norweger namens Lars Saabye Christensen - "Yesterday".Es ging um vier Jungs, die in den 60ern die Beatles entdecken, diese zu ihren Superstars erheben und ebenfallls Musik machen und durch die 60er stolpern, mit Höhen und Tiefen. Der Nachfolger "Waterloo" spielt in den 70ern und reicht nicht im Ansatz an "Yesterday" heran.
2005 erhielt ich das lesenswerte Buch von Nick Mason "Inside Out" über die Geschichte von Pink Floyd.
Bei all den Literaturtipps fällt mir ein, dass ich unbedingt mehr Beiträge über Bücher und Filme bringen sollte.
Grüße
M.Kupfer
An die Jüngeren: Fällt euch was auf?? Ich habe mit keinem Wort MTV, VIVA oder andere Musikvideosendungen erwähnt. Und MP3 gabs zu meiner Jugend nicht. Ich sagte es bereits - Schallplatten, Cassetten, Radio waren die Hauptbezugsquellen für meine rockmusikalische Früherziehung, vielleicht noch Feten, bei denen dies und das gespielt wurde... . Hinzu kamen noch Bücher über Rock -, Punk und anderes, die ich mir im modernen Antiquariat für ein paar Mark besorgt hatte. Vielleicht gab es mal Fernsehsendungen zu einer Band, einer Stilrichtung. MTV gab es erst ab Mitte der 80er in die Wohnzimmer. Gelegentlich sickerten die ersten Videos durch den "Holländer" zu uns. Ab 1983 gab es die Sendung "Formel 1". Für den immer spät gesandten "Rockpalast" - Konzertaufnahmen - war ích noch zu jung.
Zunächst zum Radio:
Ich bin in Nordrhein-Westfalen beheimatet, befinde mich also im Sendebereich des WDR. Zwar bekamen wir wie gesagt den "Holländer" - grenznah, wie wir wohnten, der war aber erst einmal nur für die "Charts" zuständig.
Der WDR hatte bis Mitte der 80er 3 Sender - WDR 1-3.
WDR 2 bot ein paar Sendungen für Jugendliche, Anfang der 80er erlebte ich noch das Ende der "Radiothek" und des "Rock'n'Roll-Revival" sowie "Musik nach der Penne".
Dann kam 1981 die erste Programmreform des WDR, die ich bewusst, mit 14 erlebte: Nachmittags lief dann in der Woche auf WDR 2 der "Treffpunkt" mit verschiedenen Moderatoren (dazwischen die "Hörbar", die lustig sein sollte). Die interessanten Sendungen abends gegen 20:00 Uhr hießen noch"Schlagerrally" - lange Zeit montags - und "Mal Sondock's Hitparade" - mittwochs - die wir mit Cassettenrecordern bzw. Tapedecks mitschnitten. Einmal im Jahr im August lief "Rockpalast an der Loreley", meist mit Alan Bangs als Moderator. Der Gegenpart von Mal Sondock war Dave Coleman, der zwar sehr gut moderierte, aber Funk- und Soul-Musik spielte, die mich nicht sonderlich interessierte. Sehr interessant auch war, dass die Moderatoren der Spartensendungen viel Zeit damit verbrachten, Briefe von HörerInnen zu verlesen, die zum Teil aus dem Knast kamen, vor allem bei Dave Coleman und Volkmar Kramartz (Scream).
Mit den Jahren kamen weitere Lieblingsspartensendungen hnzu und lösten die bereits benannten nach und nach ab. Von Anfang 1983 bis August 1985 lief Sonntag abends die Sendung "Haste Töne?", eine etwas anspruchsvollere Rocksendung mit neuen und alten Alben.
Für diese Sendung sonntags ging ich in die Badewanne - Radiohören und Plantschen, statt Tatort mit Schimi schauen. Ab 1984 gab es in den letzten 15 Minuten dieser Sendung einen Teil mit Namen "Rock History" - und eröffnete mir das Tor zur Rockmusik vergangener Zeiten. Im August 1985 wanderte die Sendung als "Flippzeit" in den späten Samstagabend und machte Platz für die "American Top 40". 1985 war auch das Jahr, in dem WDR 4 auf Sendung ging und Modern Talking die Charts stürmte. Noch Fragen zu den Qualitätsstandards damals?
Die Flippzeit rutschte 1986 ins Nachmittagsprogramm und ersetzte den "Treffpunkt".
1984 begann die Reihe "Schwingungen" mit Winfried Trenkler für die Freunde elektronischer Musik, also von Klaus Schulze, Tangerine Dream, Jean-Michel Jarre und anderen Interpreten, eingeleitet wurde diese Spartensendung mit Harald Großkopf's "So weit so gut" eingeleitet. Dazu später.
Nur soviel an der Stelle: Ich habe auf unserem Speicher eine Holzkiste stehen, voll mit Cassetten, auf denen sich alte "Schwingungen" von Oktober 1984 bis etwa 1990 befinden. Die Aufnahmen sind noch voll und ganz brauchbar, wie mir einige Stichproben zeigten. Über 20 Jahre altes Bandmaterial!
"Scream", die Sendung für Schwermetaller u.A. mit Volkmar Kramartz lief ab 1986(?) dienstags abends ab 22:00 Uhr, in Abwechslung mit "Graffiti", einer Sendung für Independent- und Underground-Fans mit Thomas Elbern, dies bis 1995. Mitten hinein rutschte die RockSession mit Alan Bangs, später die"Alan Bang's Connection" - ein genialer britischer D.J. - vergleichbar mit John Peel bei BFBS brachte die herrlichsten Longplayer, z.B. von den Doors oder The Free, Cream, Iggy Pop und ich weiß nicht was mit den irrsten Geschichten zu den Bands und den Songs.
Die sehr ruhige, unaufgeregte Moderationsweise von Bangs, der ein unglaublich umfangreiches Fachwissen aufwies (10.000 LP's und CD's!), gespickt mit englischem Akzent und diese sagenhafte Musik und die geschichten dazu zu später Stunde bildeten ein Highlight im Spartenradio der 80er Jahre. Der Mann war den Rockpalast gewohnt - das merkte man....ein Profi eben
Freitagabends saß der Krawattenmann Götz Altzmann am Mikro und präsentierte Rock'n'Roll, Rackabilly und anderes aus den 50ern.
Irgendwann 1986 rutschte die gesamte SpartenDJ-Radio-Herrlichkeit nach WDR 1.WDR 1 war damals dann der Rock- und Popsender schlechthin.
1989 durften die Hörer in der Flippzeit eine Plattenkritik - schriftlich verfasst - einreichen, die dann von den Redakteuren professionell vertont (Vorlesen, Unterlegen mit der rezensierten Musik) gesendet wurde. Ich war auch dabei, mit einem Verriss über das Waters-Album von 1984 "Pros an Cons of Hitchhiking". Das brachte mir den Hörerbrief eines Menschen ein, der das Album eigentlich gut fand...
Eines war ein klassisches Radiogerät aus den späten 50er Jahren, mit Holzgehäuse, stoffbezogenen Lautsprechern, einem Katzenauge und riesigen elfenbeinfarbenen Tasten, mit denen man UKW, KW, LW und MW einschalten konnte, desgleichen riesigen Reglern für den Sender, die Lautstärke und "Dissonanz" und "Bass"/"Treble". Die Senderanzeige war ein sich über die gesamte Radiobreite erstreckendes coloriertes Glas mit zig Beschriftungen, Linien Zahlen und Städtenamen.
Das andere Röhrenteil war ein besonderer Schatz, der war noch älter als das oben beschriebene und befand sich in einem der ersten Fernsehgeräte, die in den 50er Jahren in den Wohnzimmern Wirtschaftswunderdeutschlands standen.Wer weiß - lief auf dem Bildschirm einmal das legendäre Finale bei der WM 1954? Ich hatte es im Juni 1983 von einem Kumpel erworben, für damals 20,-- DM. Das Teil war ca. einen Meter hoch und 50x60 breit bzw. tief, brauner Schleiflack, darin ein alter Fernseher, darunter das Radioteil (mit dem oben beschriebenen technischen Standard....) Davor, also vor Radio und Fernsehteil befand sich eine zweiteilige Lamellen-Schiebetüre, so dass man - wie es damals üblichg war - das Ding schließen konnte, wenn nichts mehr im TV/Radio lief (Sendeschluss!). Das Ding war vom Allerfeinsten, wenn der Fernseher auch defekt war, das Radio ging noch - genauso gut, wie das andere Röhrenradio. Es besaß ein vertikales Katzenauge, dessen Farbskalen sich von oben und unten kommend in der Mitte trafen, wenn der Sender perfekt eingestellt war.
Zum Transport dieser sperrigen, megaschweren "Mediothek" (Massiv-Holz plus Röhrenelektronik plus uralter Bildschirm...., die 50er ließen grüßen, da hat man Schwere und masse noch mit Wirtschaftskraft assoziert) eine Anekdote: Ich war 16, als ich das Ding im Sommer 1983 kaufte. Meine Eltern fandens gar nicht komisch. Ich musste mir etwas einfallen lassen, der Transport per Auto war ausgeschlossen (hätte wohl auch nicht einen Golf oder Opel Kadett hinein gepasst)! Von Frank bis zu mir waren es etwa 2 km Luftlinie. Aber der Weg! Es ging bergauf und wieder steil bergab, auf der Straße befanden sich tückische Steinchen, Rollsplitt noch und nöcher (die man sonst nie wahrnimmt....) .... Die Mediothek hatte unten kleine Räder, solche, wie sie normalerweise unter Ikea-Blumen-Tischchen oder HiFi-Racks zu finden sind - schwarzes Plastik. Die waren zwar hilfreich, erwiesen sich aber denoch als ausgesprochen hartnäckig beim Transport, vor allem bei Rollsplittsteinchen. Frank und ich mühten uns an einem heißen Tag wie bescheuert ab....
Nach bestimmt 1,5 Stunden waren wir dann bei mir daheim angelangt. Bis dahin war alles gut gegangen. Aber dann: Das Teil blockiert, hakt an einem Schottersteinchen jäh fest, es kippt nach hinten (hinten war offen, vorne war mit den Lamellentüren abgeschlossen) wir haltens krampfhaft fest, dafür fällt der gesamte nicht verschraubte Röhren- und Bildschirmteil heraus und knallt auf den Asphalt.... Die Folge: Der alte Röhrenbildschirm blieb heile, dafür hatte das Senderglas eine gewaltigen Riss. Außerdem war die eine oder andere Sicherung hinüber.
Mein Vater schlug damals die Hände über dem Kopf zusammen: Das Ding kommt nicht zu uns rein, das geht auf den Müll.... Das "Ding" stand dann aber am nächsten Tag in meinem Zimmer und war ein echter Hingucker! Musik konnte ich nach einem Auswechseln der Sicherungen hören.
Zu sehen ist das Schätzchen hier auf einer Kritzelei aus dem Jahr 1986:
Naja, auf den Müll kam es erst ca. 20 Jahre später, so um 2003, da hatte ich schon längst Familie und wohnte nicht mehr in Kleve. Und meine Lieben hätte ich schwer zum Behalten des halbdefekten Riesenteils aus einer anderen Zeit überreden können.
Zurück zum WDR. Die Programmstruktur des WDR 1 sah in den letzten knapp 4 Jahren wie folgt aus:
http://de.wikipedia.org/wiki/WDR_1
Und davor:
http://www.radiojunkie.de/wdr1.html
Die herrliche Spartenradio-und DJ-Radio-Welt endete, kurz vorher angekündigt, zum 01.04.1995. Seit Anfang der 90er Jahre hatte sich mehr und mehr das sog. Formatradio kommerzieller regionaler Sender mit ihrem Dudelfunk durchgesetzt (Radio Bielefeld, Antenne Niederrhein, Radio FFN etc). Formatradio hieß dies, weil der Anteil Musik und der Anteil Wortbeitrag sehr genau aufeinender abgestimmt waren. Die Musik wurde nicht mehr vom DJ-ausgewählt, sondern zentral eingespeist. Gerald Baars, der "Wellenchef" vom WDR legte am 01.04.95 den Hebel um und eröffnete so 1Live, ein Sender, der damals zumindest dem privaten Regional-Dudelfunk sehr ähnlich war. Die Spartensendungen vermengten sich im KultKomplex (oder besser: Schuldkomplex?). Haste da noch Töne?
Wollen wir mal nicht so unfair sein (altersmilde-tätschel): Ich gehörte wahrscheinlich schon 1995 zum alten Hörereisen und bin nicht die Zielgruppe (wie mir Herr Baars in einem Antwortbrief auf meine schriftliche Beschwerde über das Verschwinden "meiner" Sendungen indirekt beantwortete), das neue EinsLive präsentiert sich 13 Jahre nach Einführung wie folgt:
http://www.einslive.de/
Mittlerweile, 2008, hat sich still und heimlich im WDR2 eine fast täglich laufende Rocksendung namens "Soundfiles" ab 21.00 Uhr durchgesetzt.
http://www.wdr.de/radio/wdr2/soundfiles/profil.phtml
Zum sonstigen Musikprogramm in WDR2:
http://www.wdr.de/radio/wdr2/musik/index.phtml
Ein Aha-Erlebnis hatte ich 2005 bei einem Dänemark-Urlaub: Die Dänen hatten einen ganz hervorragenden Rocksender -die ganze Zeit lief Underground-Rock vom Allerfeinsten! Auf die Weise lernte ich auch "Kaiser Chiefs musikalisch kennen.... SO kann Rock-Radio auch sein!
Achja, einmal habe ich auch einmal eine Radiosendung produziert, die auch gesendet wurde, im Bürgerfunk von Radio Bielefeld. Das war 1997, ich produzierte damals mithilfe der Software "Cutmaster" einen Beitrag über ein Jugendheim, das gerade 15 Jahre Geburtstag feierte. Radiomachen ist recht unaufgeregt, mich faszinierte allerdings die Technik des Cutmaster (die heuet wahrscheinlich auch völlig out ist).
Zur Rock-Literatur noch ein paar Worte: Das erste Buch, das ich zu dem Thema "Rock" erwarb war im Juli 1985 "Rolling Stone - Bildgeschichte der Rockmusik, Teil2, Von den Searchers zu Bruce Springsteen". Es folgten später noch RockSession2, Salzingers "Rock Power" und ein geheimnisumwobenes Buch namens "Bomp" von Greg Shaw- die Zusammenfassungvon Beiträgen eines amerikanischen Fanzines aus den 60er Jahren - ein El Dorado für früheste Garagen- und Underground Musik!! Kennt jemand hier die Seeds mit Sky Saxon? Siehste....! War Punk anno 1966!
Das Rowohlt Lesebuch der Rockmusik war klasse, vor allem mit dem Text des Rockjournalisten Lester Bangs am Ende über frühen Punk und die Troggs - einfach sa-gen-haft! Ich hatte meine Mission, meine Grundidee theoretisch untermauert, die da lautet "Be underground". Mein weiteres Punk-Buch hatte den Titel "Wir waren Helden"
1992 las ich einen Roman von einem Norweger namens Lars Saabye Christensen - "Yesterday".Es ging um vier Jungs, die in den 60ern die Beatles entdecken, diese zu ihren Superstars erheben und ebenfallls Musik machen und durch die 60er stolpern, mit Höhen und Tiefen. Der Nachfolger "Waterloo" spielt in den 70ern und reicht nicht im Ansatz an "Yesterday" heran.
2005 erhielt ich das lesenswerte Buch von Nick Mason "Inside Out" über die Geschichte von Pink Floyd.
Bei all den Literaturtipps fällt mir ein, dass ich unbedingt mehr Beiträge über Bücher und Filme bringen sollte.
Grüße
M.Kupfer